Designanalyse Mercedes GLA

Mercedes GLA heißt der Stuttgarter Beitrag zum Thema Kompakt-SUV. Auf Basis der A-Klasse ist erneut ein Modell entstanden, dessen Design nicht nur beim Münchener Design-Professor Peter Naumann gemischte Gefühle auslösen wird. Aber bei Daimler sind sie überzeugt, dass die betont expressive, skulpturale Formensprache ein stärkeres Statement ist als das eher zurückhaltende Stern-Design unter den früheren Designchefs Peter Pfeiffer und Bruno Sacco. Ob es auch so zeitlos sein kann wie frühere Klassiker, wird sich erst noch zeigen müssen. Von Thomas Imhof

Peter Naumann, Professor für Fahrzeugdesign an der Münchener Hochschule für angewandte Wissenschaften, übte erst in der letzten Woche in einem Interview mit Welt am Sonntag-Redakteurin Denise Juchem deutliche Kritik am aktuellen Mercedes Design: „Die Modelle sind momentan zu Styling-orientiert, das Thema Emotionalität wird überstrapaziert“, findet der 52-jährige. Als Beispiel für seine These führt er den CLA an, den viertürigen Coupé-Ableger der A-Klasse. „Für mich sieht dieses Auto fast schon verschmolzen aus, es verliert seine Funktionalität. Mit viel Design soll hier viel erreicht werden. Wie bei einer Dame, die all ihren Schmuck gleichzeitig anzieht.“ Und dadurch sei das eigentlich Schöne überhaupt nicht mehr zu erkennen.

Design Entwicklung GLA
Design Entwicklung GLA – Foto: Mercedes-Benz

In der Tat ist das Mercedes Design seit der Ablösung des langjährigen Designchefs Peter Pfeiffer durch Gorden Wagener Gegenstand polarisierender Diskussionen. Was die einen als Befreiungsschlag aus verkrusteten Strukturen empfinden, sehen die anderen als riskantes Experiment. Denn ob das aktuelle, sehr expressive und skulpturale Design aus Sindelfingen den „Test der Zeit“ besteht, wir sich erst noch zeigen müssen. „Denn übertriebenes Fahrzeugdesign nutzt sich sehr schnell ab“, weiß Design-Prof Naumann. Und fordert eine Rückkehr zur Sachlichkeit, zum Minimalismus, eine Rückbesinnung auf eine der wichtigsten Designthesen: less is more. Womit er zumindest bei Wagener auf taube Ohren stoßen wird.

Der neue GLA (Codenummer X156) basiert auf der Bodengruppe der A- und CLA-Klasse und als solcher Konkurrent des BMW X1 und Audi Q3. Bei Daimler sehen sie ihn gern als „Allrounder mit typischen Mercedes SUV-Genen, aber jugendlicher, skulpturaler und voll subtiler Spannung.“ Hinzu komme eine hohe Wertanmutung, die über die Formensprache, die Auswahl und die Kombinationsmöglichkeit der Materialien erreicht werde. Sinnliche Klarheit als Ausdruck modernen Luxus, so heißt das Mantra der in Sindelfingen tätigen Designer. Gefragt seien klare Formen und glatte Flächen, die Hightech inszenieren und zugleich eine emotionale Metaebene haben.

GLA-Tonmodell - Foto: Mercedes-Benz
GLA-Tonmodell – Foto: Mercedes-Benz

„Der GLA verkörpert durch seine markanten Merkmale unser progressives Denken und besticht durch seine Offroad-Proportionen“, sagt Designchef Wagener. „Die klar definierten Oberflächen drücken Kraft und Souveränität aus, und es ist uns gelungen, so viel Emotionalität wie möglich mit so viel Klarheit wie nötig zu vereinen.“

Das niedrige Glashaus, der hochgesetzte Fahrzeugkörper, die großen Radausschnitte, ein optischer Unterschutz und dunkelgrau abgesetzte Verkleidungen rundum verleihen dem GLA die gewünschte SUV-Optik. Diees so genannten Claddings ziehen sich wie ein Rahmen um die Unterseite des Autos herum und bieten vor allem Schutz vor Steinschlag.

Die klar definierten Oberflächen werden ergänzt durch scharfe Linien, die Definition und Präzision geben und im Wechsel zur Skulptur des Fahrzeugkörpers stehen. Sie seien gefühlvoll ausmodelliert und von subtiler Spannung, preist der Pressetext.

Typisch für die aktuellen Mercedes Modelle: Die vertikale Bugpartie mit Zentralstern. So genannte „Powerdomes“ strukturieren als sportliche Details die Motorhaube, während der Grill mit zwei Lamellen die Breite des Fahrzeugs betont. Die Scheinwerfer und das LED-Tagfahrlichts mit trifunktionalem Lichtleiter geben dem Mercedes GLA zusätzlich Charakter. Der vordere Stoßfänger trägt vor den Kühlluft-Öffnungen Gitter in Rauten-Optik; die Nebelleuchten finden im Stoßfänger Platz.

Selbstbewusste Front und stark skulpturierte Flanken - Skizze: Mercedes-Benz
Selbstbewusste Front und stark skulpturierte Flanken – Skizze: Mercedes-Benz

In der Seitenpartie trägt auch der neue GLA die für alle neue Benz bindende „Dropping“-Line. Sie spannt sich aus dem Scheinwerfer heraus bis zum Radlauf der Hinterachse. Die Linie des im Designer-Sprech „Bordkanten-Zierstabs“ genannten Elements steigt ab der hinteren Tür zur C-Säule hin an. Zusammen mit der Lichtkante auf der Fallung und dem auf Schwellerhöhe ansteigenden Gegenschwung zur Dropping-Line entsteht ein besonderes Linienspiel an der Seitenwand, das dem Fahrzeug fließende Dynamik und subtile Spannung verleiht. Zugleich folgt das Cladding den Konturen der Radhäuser und Seitenschweller bis in den hinteren Stoßfänger hinein. Zur Betonung des rustikalen Charakters tragen die Schweller zusätzlich baggerzahnartige Vertiefungen. Dachzierstäbe bilden den oberen Abschluss, je nach Ausstattung in Schwarz hochglänzend oder Chrom.
Die kraftvollen Schultern des auf bis zu 19 Zoll großen Räder stehenden Mercedes GLA werden in Höhe der Hinterachse durch den Einzug der C-Säule besonders betont. Auch die zweiteiligen Leuchten ziehen das Heck subjektiv in die Breite.

Mercedes-Benz GLA 220 CDI - Foto: Mercedes-Benz
Mercedes-Benz GLA 220 CDI – Foto: Mercedes-Benz

Dieser Eindruck wird durch die gewölbte Heckscheibe und die geschwungene Chrom-Griffleiste zwischen den Heckleuchten verstärkt. Im Bereich des Heckstoßfängers finden sich derweil weitere SUV-Stylingelemente wie ein äußerer Ladekantenschutz und ein optischer Unterschutz, der in Silber, dunklem Chrom oder Schwarz hochglänzend erhältlich ist.

Interieur Designer Wunderlich (links) und Jan Kaul - Foto: Mercedes-Benz
Interieur Designer Wunderlich (links) und Jan Kaul – Foto: Mercedes-Benz

Die Formensprache des Exterieurs setzt sich im Interieur des Mercedes GLA fort. Die starke Horizontalbetonung kennen wir schon aus anderen aktuellen Mercedes-Modellen, ebenso wie die runden Lüftungsdüsen – hier fünf an der Zahl.

Die Instrumententafel besteht aus einem klar getrennten Ober- und Unterteil und lässt unterschiedlich haptisch-weiche Oberflächenstrukturen zu. Matte und glänzende 3D-Geometrien (Narbungen) erzeugen ein attraktives Lichtspiel. Das dreidimensionale Zierelement aus innovativer Folie, Alu oder Holz gibt dem Interieur fraglos einen speziellen Touch. Das seidenmatte Finish des Holzzierteils wirkt haptisch besonders anziehend.

Runde Luftausströmer und Holzeinlagen am Instrumententräger - Foto: Mercedes-Benz
Runde Luftausströmer und Holzeinlagen am Instrumententräger – Foto: Mercedes-Benz

Ein exklusives GLA-Detail sind die Ringe um die fünf Runddüsen, deren SUV-Optik sich auf Wunsch an Unterschutz und Längsträgerverkleidung anlehnt. Optional sind die Ringe galvanisiert. Die Strömungsrichtung der Luft lässt sich durch schmetterlingsförmige Einsätze verändern, diese sind auf Wunsch galvanisiert und in Silvershadow ausgeführt.

Das große freistehende Display kam erstmals bei B- und A-Klasse zum Einsatz. Es punktet mit seiner hochglänzenden Displayblende in Piano-Black und einen flächenbündig umlaufenden Rahmen in Silvershadow. Das 3-Speichen-Lenkrad kommt mit zwölf Tasten und galvanisierter Chromspange. Die Nadeln in den beiden Rundinstrumenten befinden sich in der Ruhestellung auf der 6-Uhr-Position. Die Zeiger-Inlays sind generell silbern.

Natürlich gibt es eine große Auswahl an Sitzbezügen (Leder, Stoff, Stoff/Leder) und Farben, die viel Spielraum zur Individualisierung eröffnet. Als Sonderausstattung ist eine Sport-Sitzanlage mit integrierten Kopfstützen im Programm.

Fehlen nur noch der erste Fahreindruck und die Beantwortung der Frage, wieviel Platz für Passagiere und Gepäck auf dem kleinen Grundriss bleiben. Und bietet der Mercedes GLA überhaupt jene leicht erhabene Sitzposition, die SUV-Kunden, vor allem die Damen, so schätzen?

Text: Thomas Imhof, Autogefühl

Fotos: Mercedes-Benz

 

 

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