Volvo macht das unter Leitung des neuen Designchefs Thomas Ingenlath konzipierte Conceptcar-Trio nun komplett: Nach dem Volvo Concept Coupé (IAA 2013) und dem Concept XC Coupé (Detroit 2014) folgt nun zum Finale in Genf das Volvo Concept Estate. Der Shooting Brake ist – mit zwei zusätzlichen Türen – im Grunde der Nachfolger des V70, während das Interieur zu 90 Prozent dem im Herbst in Paris stehenden großen SUV XC 90 entspricht. Von Thomas Imhof
Alter Schwede! Wer – wie ich – immer wieder den Mangel an „wirklichen“ Kombis aus Schweden beklagt hat, wird nun endlich erhört. Denn mit der Studie Volvo Concept Estate zeigen die Nordmänner in Genf den potentiellen Nachfolger des letzten verbliebenen Lademeisters, des V70. Man muss sich nur zwei kürzere Vorder- und zwei zusätzliche hintere Türen dazudenken – und schon wird aus der Concept-Studie ein reales Großserienmodell. In dem man dann deutlich mehr wird verstauen können als in den aktuellen, zu coupéartigen Pseudo-Kombis geschrumpften V40 und V60. Noch wird es aber dauern: 2015 kommt zunächst einmal der neue XC90 in den Handel. Bis zur Ankunft eines neuen V70 – der dann vielleicht V90 heißen könnte – müssen wir dagegen bis 2016 warten.
Natürlich kommt der neue Schweden-Laster nicht mehr im Schuhkarton-Design der 90er Jahre daher. Vielmehr zitiert der Volvo Concept Estate wie schon das auf der IAA gezeigte wunderschöne Coupé den Volvo 1800 ES aus den frühen 1970er Jahren. „Das hat nichts mit Retro zu tun. Wir nutzen diese feinen Reminiszenzen an unsere Vergangenheit, um eine Zukunft zu kreieren, in der klare Schönheit zu einem anerkannten Teil der Volvo Identität wird“, beschreibt der deutsche Volvo-Chefdesigner Thomas Ingenlath die neue Stil-Philosophie für die im chinesischen Besitz befindliche Elch-Marke.
Ansonsten jedoch setzt auch Volvo auf probate, weil dynamisierende Elemente des modernen Auto-Designs. Der üppige Abstand zwischen Vorderachse und A-Säulen, die flache Motorhaube, die eher kleinen Seitenscheiben und das Glasdach des Volvo Concept Estate bewirken den Eindruck eines Sportwagens mit drei Türen. Was dann eine vertikale Hecktür wie bei den alten Volvo-Kombis ausschließt. Eine dunkelbraune Lackierung und übergroße 21-Zoll-Räder im Fünf-Speichen-Design unterstreichen den Expressgut-Nimbus.
Wie bei den beiden ersten Konzeptfahrzeugen der Ära Ingenlath trägt auch der Volvo Concept Estate einen scheinbar schwebenden Kühlergrill mit flankierenden Scheinwerfern und T-förmigen Tagfahrleuchten zur Schau. Die Rückleuchten führen derweil schärfere Zick-Zack-Sprünge aus denn je.
Im Innenraum wurden – dem Trend der Zeit folgend – Schalter und Regler auf ein Minimum reduziert. Im Prinzip sind alle Funktionen bis auf Lautstärkeregler, Play/Pause, Warnblinklicht und Scheibenheizung in einem einzigen großen, tablet-artigen Touchscreen zusammengefasst. „Die Grundidee ist, die Steuerelemente und Informationen vollkommen intuitiv und nutzerfreundlich anzuordnen. Alles befindet sich genau dort, wo man es erwartet“, sagt Ingenlath. Das System interagiert zudem nahtlos mit der digitalen Instrumentenanzeige im Blickfeld des Fahrers.
„Nicht mehr auf Knöpfe und Regler angewiesen zu sein, fühlt sich so an, als wäre man von Handschellen befreit“, wagt Interieur-Chefdesigner Robin Page einen schönen bildlichen Vergleich. „Dadurch war es möglich, um den großen Bildschirm im Hochformat herum eine wunderschöne Innenraumarchitektur zu gestalten.“
Der Innenraum spiegelt bereits zu 90 Prozent das Interieur des für kommenden Herbst angekündigten XC90 wider. Authentische Materialien und exquisite Details standen im Lastenheft ganz oben. Laut Page ließen sich die Innenraumgestalter aus Göteborg ausgiebig von aktuellen skandinavischen Designtrends inspirieren. Die allerdings auch schon zu Zeiten von ABBA populäre Farbe Orange findet sich an den Sitzgurten und den Wollteppichen des schwedischen Designers Kasthall wider. Auch der Kristall-Schalthebel von Orrefors/Kosta Boda schimmert in Orange, während das schwarz-weiß karierte Wollgewebe am Dachhimmel und an den Rückseiten der Vordersitze einen Kontrapunkt setzt.
Damit nicht genug, unterstreichen zahlreiche edle und handgemachte Details den kühl-eleganten Nordic Style weiter: Etwa das dicke, naturgegerbte Sattelleder von Tärnsjö für die Instrumententafel, Einsätzen aus gewachstem, natürlich gealtertem Holz sowie Details aus bearbeitetem Kupfer. „Das Glasdach und die mit dem leichtem und weichen Leder von Bridge of Weir bezogenen Sitze bewahren jenen freundlichen und behaglichen Charakter, der typisch für schwedische Wohnzimmer ist“, so Page.
Selbst an eine Picknickpause haben die Macher des Volvo Concept Estate gedacht: Unter dem Ladeboden ist ein spezielles Set für das beliebte Spiel Kubb untergebracht. Dessen Regeln sind sogar auf dem transparenten Ladeboden aufgedruckt. Kubb wurde angeblich schon von den Wikinger gespielt und symbolisiert eine Schlacht, in der zwei verfeindete Gruppen für ihren König kämpfen. In der heutigen Form wird es seit circa 1990 gespielt und ist vor allem in Schweden und Norwegen beliebt, doch auch im deutschsprachigen Raum nicht mehr selten. Zum Spiel gehören sechs Wurf-Rundhölzer, zehn umzuwerfende Klötzchen (die Kubbs) und eine Königs-Figur.
Wenn während des Outdoor-Spiels Regen einsetzen sollte – was auch in Schweden öfters mal vorkommen soll – hat Volvo übrigens vorgesorgt: Mit exklusiv angefertigten Regenjacken von Stutterheim.
Text: Autogefuehl, Thomas Imhof
Fotos: Volvo
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