Der neue e-Golf sorgt für neuen Wirbel in der Elektroauto-Branche. Das meistverkaufte Auto Deutschlands ist nun in der rein elektrischen Variante erhältlich und soll eine Reichweite von 130 bis 190 km schaffen. Ein erster Test des neuen Hoffnungsträgers im Rahmen der „electrified! e-Mobilitätswochen“ von Volkswagen. Von Thomas Majchrzak
Volkswagen hat für den neuen e-Golf die e-Mobilitätswochen eingeläutet und sich dafür den Flughafen Berlin Tempelhof gekrallt. Parallel zur Fahrzeugpräsentation finden zum Beispiel einige Konzerte statt. „Berlin ist zum internationalen Trendsetter geworden. Ein idealer Ort, um unsere Lösungen für zukunftsweisende Automobilität vorzustellen“, begründet Peter Thul, Leiter Produktkommunikation bei Volkswagen, die Wahl des Standorts.
Wir starten also unsere Fahrt mit dem neuen VW e-Golf am Tempelhofer Flughafen. Seit 2008 ist er stillgelegt, zumindest für Flugzeuge. An einem sonnigen Tag herrscht auf ihm aber viel mehr Leben, als man sich vorstellen kann. Tausende von Menschen flanieren auf und entlang des Feldes, lassen Drachen steigen oder fahren mit Inlineskates. Wir rollen nun erstmal mit einem Elektro-Golf über das Rollfeld – vorbei an einem Original-Rosinenbomber.
Das Interieur macht einen edlen Eindruck, der von den schwarzen und grauen Hochglanzflächen erzeugt wird. Die blauen Kontrastnähte an der Innenseite des Lenkrads und die zweifarbigen Stoffsitze machen die Gestaltung dabei noch interessanter. Außen unterscheidet sich der e-Golf ebenfalls durch blaue Farbakzente, etwa innerhalb des Logos und zentral in der Front mit einer blauen Leiste.
Vom allgemeinen Fahrgefühl denken wir sofort: Es ist ein Golf. Solide, zuverlässig, mit guter Qualität. Er fährt sich nicht aufgeregt. Das ändert sich, sobald man das Gaspedal richtig durchdrückt. Beim Elektromotor ist das Drehmoment sofort voll da – und es geht vorwärts. Das können wir auf dem Rollfeld besonders gut ausprobieren.
Angekommen in der Stadt erleben wir das One-Pedal-Feeling. Wir stellen auf die höchste Rekuperationsstufe (siehe unten) und nehmen zum Bremsen nur immer den Fuß vom Gaspedal. Zugleich bleibt es immer schön ruhig im Innern des Autos, man spricht leiser und wird irgendwie entspannter. Gerade im dichten Berliner Stadtverkehr ist das eine Wohltat.
Jetzt heißt es also nicht mehr Liter auf 100 km, sondern 12,7 kWh Verbrauch. Umgerechnet knapp 3 Euro Kraftstoffkosten auf 100 km. Das ist extrem günstig, zumindest dann bei den laufenden Kosten. Ein Grund dafür ist der niedrige Luftwiderstandswert (cw=0,281). Angst davor, dass die Batterie teuer ausfällt, muss man auch nicht haben: Es gibt beachtliche 8 Jahre oder 160.000 km Garantie auf die Batterie. Der Elektromotor leistet 115 PS, hat aber Prinzip-bedingt immer sofort das maximale Drehmoment von 270 Nm – bei für Verbrenner undenkbaren 12.000 U/min . Dadurch geht es auch in 10,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h.
Zunächst steht die Investition ins Haus: 34.900 Euro. Zum Vergleich: Der Basispreis des gewöhnlichen VW Golf liegt bei 16.975 Euro. Da ist schon ein gewaltiger Unterschied, der sich so schnell mit den geringeren laufenden Kosten nicht reinholen lässt. Allerdings kann man die Basispreise nicht direkt miteinander vergleichen, weil der e-Golf mit einer hohen Ausstattung kommt: Navigationssystem, beheizbare Frontscheibe, Klimaautomatik, Lederlenkrad, aerodynamisch optimierten Alufelgen und Voll-LED-Scheinwerfer. Ein in etwa vergleichbarer Golf ohne Elektro würde aber natürlich immer noch weniger kosten. Ausstattungsbereinigt soll der Aufpreis für die Batterie samt angehörigem System bei gut 4.000 bis 5.000 Euro liegen. Ansonsten einziger Nachteil: Die Bodenfreiheit nimmt ab, man muss also mehr aufpassen, dass man keine höheren Hindernisse überfährt.
Die 130 bis 190 km Reichweite, so die Argumentation von Volkswagen, ist dabei auf Pendler zugeschnitten. VW bezieht sich auf Untersuchungen des Verkehrsministeriums, nach dem vier Fünftel der deutschen Autofahrer täglich weniger als 50 Kilometer fahren – was sich viele tatsächlich von ihrem eigenen Arbeitsweg her vorstellen können. Und das wäre dann auch schon der entscheidende Punkt: Der neue e-Golf ist, wie schon der BMW i3, nicht für die lange Urlaubsfahrt geeignet, aber eben für die tägliche Fahrt zur Arbeit, wenn man zu Hause oder an der Arbeit immer wieder gut aufladen kann.
In unserem Test erweist sich die Reichweitenanzeige als sehr zuverlässig: So starten wir mit 150 km Reichweite in Tempelhof und spulen 42 km ab – und die Reichweite zeigt 106 km, gerade mal eine Abweichung von 2 km. Man kann sich also wirklich auf die Anzeige verlassen, zumindest bei den schon milden Temperaturen.
Wie die Reichweite in der langfristigen Praxis ausfällt, muss man dann sehen; es hängt von Winter oder Sommer ab und auch davon, welche Rekuperationsstufe man einstellt. Es gibt vier Stufen, in denen das Auto dann unterschiedlich viel Energie beim Rollen wieder zurückgewinnt. Dadurch ergibt sich auch das Ein-Pedal-Fahren, man benötigt die Bremse in der Regel nicht mehr, wenn man sich daran gewöhnt hat, dass das Elektroauto sich stark selber einbremst, sobald man das Gas wegnimmt. Abgeregelt ist der e-Golf bei 140 km/h – eine schnellere Geschwindigkeit würde die Batterie zu schnell leer ziehen, und ein Elektroauto ist – bis auf das Tesla Model S – bisher nicht fürs Rasen gedacht.
Sollte es mit den 190 km Reichweite, die im Winter sicher geringer ausfällt, übrigens einmal nicht reichen: Volkswagen bietet in einem Mobilitätspaket an, 30 Tage pro Jahr kostenfrei einen normalen Golf anzumieten – das gilt bis 3 Jahre nach Fahrzeugkauf und ist inklusive.
Eine Argumentation gegen Elektroautos ist stets auch, dass selbst, wenn später CO2 gespart wird, der Produktionsprozess die Umwelt immens beeinträchtigt, ggf. sogar mehr als bei einem herkömmlichen Fahrzeug. Volkswagen hält dagegen und hat sich selber ein Umweltsiegel auferlegt, nach dem die Produktion eines e-Golf mit einer besseren Umwelt-Bilanz abschließen soll als beim normalen Modell.
Los geht es im Prinzip ab sofort. Seit Februar kann man den e-Golf schon bestellen. Im Volkswagen Werk Wolfsburg ist vor wenigen Tagen der erste e-Golf von der Montagelinie gefahren. Er wird auf derselben „Straße“ produziert wie die anderen Antriebsvarianten.
Schlussbetrachtung: Wer ohnehin einen VW Golf kaufen möchte, ihn auch in höherer Ausstattung nehmen würde, nicht häufig Langstrecke fährt, sondern regelmäßig Kurz- bis Mittelstrecke zur Arbeit pendelt, und sich eine Ladestation zu Hause installieren lässt, der wird am e-Golf viel Freude haben. Denn das Aufladen am normalen Netzstecker würde zu lange dauern. Das Fahrgefühl ist deutlich angenehmer und state-of-the-art. Man ist einerseits entspannter unterwegs und hat andererseits tolle Beschleunigungsreserven, um mal eben noch einen Sprung über die gelbe Ampel zu schaffen.
Die Ladeinfrastruktur für Zuhause gibt es von Volkswagen als Paket für gut 1.000 Euro. Das Laden an der normalen Steckdose wäre zwar möglich, würde aber effektiv immer doppelt zu lange dauern.
Wer diese Bedingungen alle für sich erfüllt sieht, könnte auf den Elektro-Zug aufspringen. Der VW e-Golf ist so spannend für den Elektroauto-Markt, weil er eben so unaufgeregt ist, eine „stur teutonische Techniker-Lösung“, wie es bei mein-auto-blog heißt. Er ist eben im Prinzip ein ganz normaler Golf. Ein BMW i3 dagegen ist ein völlig neues Konzept und eher für Leute gedacht, die bewusst etwas Neues wollen. In Norwegen hat der e-Golf schon so richtig eingeschlagen und erfreut sich größter Beliebtheit bei den Bestellungen.
Da der deutsche Autokäufer an sich allerdings eher konservativ denkt, muss man sagen: Wenn ein Elektroauto in Deutschland Erfolg haben wird, dann muss es nun der e-Golf sein.
Autogefühl: ****
Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Autogefühl; Mikhail Bievetskiy; VW
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