Es kommt selten vor, dass ein Automobilhersteller zugibt, etwas verpasst zu haben. BMW hat unumwunden zugegeben, bei den zukunftsträchtigen Kompakt-Vans (siehe jüngst: Golf Sportsvan) bisher eine Lücke zu haben und speziell der Mercedes B-Klasse bisher nichts entgegen zu setzen. Das wurde jetzt mit dem BMW 2er Active Tourer nachgeholt. Laut BMW ist das Auto dann aber sofort das sportlichste seiner Klasse und bietet Komfort auf Premium-Niveau. Erste Testfahrten zeigen ein Auto, an dem BMW noch viel Freude haben wird – trotz oder gerade wegen des erstmalig in dieser Form eingesetzten Frontantriebs. Von Holger Majchrzak
Freude am Fahren ist ja seit nahezu 50 Jahren das Marketing-Motto von BMW und betont vor allem die sportliche Dynamik der Modelle. Mit dem BMW 2er Active Tourer hat der Hersteller nun ein Fahrzeug im Programm, bei dem andere Punkte mindestens genauso wichtig sind: Raumangebot, Variabilität, Komfort. Ein Auto für Kunden, die auch flott unterwegs, aber vor allem gut zuladen wollen und die Bequemlichkeit einer höheren Sitzposition schätzen.
Raum schaffen, das war laut BMW die oberste Prämisse bei der Konstruktion des Active Tourers. Dafür hat BMW auch die Tradition über Bord geworfen. Der 2er hat erstmalig für die Marke Frontantrieb, der Motor ist quer eingebaut. Das schafft mehr Platz für die Passagiere vorne wie hinten und einen variablen Kofferraum, der erweitert – dann allerdings auf Kosten der Fondsitze – auch für das ganz große Gepäck geeignet ist mit maximal 1.510 Litern. Der Active Tourer bietet bei kompakten Außenmaßen innere Großzügigkeit. Denn durch den Frontantrieb muss kein voluminöser Mitteltunnel zur Hinterachse geführt werden, der den Raum gerade im Fond einschränkt.
Dabei ist die Entscheidung für echte BMW-Fans eine Gratwanderung. Ein BMW ohne Heckantrieb? Ein BMW als Van? Der Erfolg der xDrive-Modelle hat gezeigt, dass es nicht nur der reine Hinterradantrieb sein muss. Und BMW selbst verschwendet keinen Gedanken daran, bestehende Kunden wegen eines neuen Frontantrieb-Vans zu verlieren – weil man ja die anderen sportlicheren Autos weiterbaut. Entscheidend war bei dem Gedankenspiel letztlich die Ausrichtung auf die Zukunft. Denn was wird die Gesellschaft für Autos fahren, wenn der Großteil aus älteren Menschen besteht?
Raumgefühl: großartig
So ist der BMW 2er Active Tourer wie gemalt für die reifere Autofahrergeneration, die Rücken schonend einsteigen und mit der erhöhten Sitzposition beste Übersicht über die Straße haben will und auch in engen Parkhäusern angstfrei rangieren möchte. In der Werbung spricht BMW mit dem 2er Active Tourer natürlich nicht direkt zu den Silver Agern, sondern preist den Active Tourer für Familien und Abenteuer-Urlauber an. Natürlich passen auf die optionale Fahrradhalterung sehr schön Mountainbikes oder Triathlon-Räder. Aber BMW wird sich schon was dabei gedacht haben, dass auch schwere Räder wie Pedelecs mit Elektroantrieb zugeladen werden können.
Fahrgefühl: wohl temperiert
Der BMW 2er Active Tourer ist bei den Fahreigenschaften ein echter BMW geblieben, trotz des Frontantriebs. Bei unseren Testfahrten in den Alpen zeigt er sich allen Streckenanforderungen gewachsen. Kletterwillig bei Steigungen, unkompliziert steuerbar durch Serpentinen, spurtwillig bei Überholvorgängen. Man soll mit diesem Auto auch sicher rasen können – BMW verweist auf entsprechende Rundenzeiten auf dem Nürburgring – aber das Fahrzeug verführt durch seine Bauart eher zum Cruisen, zum flotten Dahingleiten. Auffallend positiv bei den 2er Active Tourer Modellen mit Schaltgetriebe ist die Elastizität der Gänge; man kann mit dem Active Tourer richtig schaltfaul unterwegs sein. Angenehm ist das treffende Wort für das Fahrverhalten.
Designgefühl: wenig auffallend
Ein Van ist ein Van mit einer gewissen Vorgabe für das Aussehen, das sich aus der zweckmäßigen Bauweise ergibt. Da kann man keine revolutionäre Design-Kunst erwarten. Der 2er Active Tourer hebt sich insbesondere in der Seitenansicht kaum von den Konkurrenzmodellen ab, lästernde Stimmen erkennen nur eine B-Klasse mit Doppelniere. Jedenfalls macht die gefällig und sportlich gestaltete Frontpartie den Vergleich wieder etwas wett. Der Innenraum ist markentypisch, jeder BMW-Fahrer fühlt sich sofort heimisch in der ausgewogen-eleganten Atmosphäre. Insgesamt wird das Fahrzeug damit allerdings nicht zur Lifestyle-Ikone mit Vorbild-Charakter. Auch das Design folgt der Grundidee des Fahrzeugs, ein allseits praktischer Begleiter für alle Lebenslagen zu sein. Übermäßiges Auffallen wäre da fehl am Platz.
Preisgefühl: wertig
Der BMW 2er Active Tourer steht vor allem mit der Mercedes B-Klasse und dem VW Golf Sportsvan im Wettbewerb. Alles schöne Autos, bei der Wahl stehen sicherlich Marken- und Geschmacksfragen im Vordergrund. Der neue BMW ist aber wohl das Fahrzeug, bei dem das Attribut Premium besonders betont wird. Ab 25. September 2014 steht er bei den Händlern zu Preisen ab 27.200 Euro für den kleinsten Benzin-Motor, das Dreizylinder-Basismodell 218i.
Kleiner Preis-Vergleich:
Golf Sportsvan ab 19.625 Euro
Mercedes B-Klasse ab 26.800 Euro
BMW 2er Active Tourer ab 27.200 Euro
Damit setzt sich BMW (bewusst) an die preisliche Spitze. Serienmäßig enthalten sind in der Basisversion bereits Radio mit Bluetooth-Freisprecheinrichtung, iDrive-Bediensystem, Regensensor und Klimaanlage. Mit anderen Motorvarianten und einer sehr langen Liste aufpreispflichtiger Sonderausstattungen geht es fix hoch Richtung 50.000 Euro.
Fazit: In der Gesamtbetrachtung ist der Active Tourer kein Auto, das große Emotionen auslöst, eher in den Kategorien „praktisch“ und „durchdacht“ punktet. Ein Auto, das genau das und zwar bestens erfüllt, was die Ingenieure und Designer zur Aufgabe hatten, BMW ein neues Marktsegment zu erschließen. Und so, dass die Konkurrenz das mehr als ernst nehmen muss, denn im Bereich der Kompakt-Vans ist das jetzt mal der neue Maßstab. Eingefleischte BMW-Fans sollten sich mit dem Gedanken abfinden, dass ihre Marke sich nur zukunftsfähig aufstellen kann, wenn sie auf die Bedürfnisse der zunehmend Komfort suchenden Autofahrer eingeht.
Autogefühl: ****
Text: Autogefühl, Holger Majchrzak
Fotos: BMW
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