Den BMW 2er Active Tourer und den Volkswagen Golf Sportsvan haben wir jüngst bereits vorgestellt. Nun folgt der dritte neue Premium-Kompakt-Van im Bunde, die Mercedes B-Klasse im Facelift, die ursprünglich dieses Segment begründet hat. In unserem Testbericht wollen wir herausfinden, an welcher Position der Vorreiter steht, wo er nun kräftig Konkurrenz bekommen hat. Von Thomas Majchrzak
Mit über 3.000 Neuzulassungen pro Monat ist die Mercedes B-Klasse, was viele nicht wissen, das zweitwichtigste Mercedes-Modell in Deutschland nach der C-Klasse. Sie wird sogar noch ein bisschen häufiger verkauft als E-Klasse und A-Klasse. Die B-Klasse ist eben zunächst so unscheinbar und unsexy. Kaum einer will Sie etwa deswegen haben, weil sie so emotional ist, aber eigentlich könnte sie vom Praxiswert her jeder gebrauchen. Das Facelift soll nun nachschärfen, die B-Klasse schicker machen und sie gegen zwei neue große Konkurrenten rüsten.
Mercedes vs BMW vs Volkswagen
Je stärker die SUV wurden, desto eher dachte man, die Zeit der Kompakt-Vans sei vorbei. Wer will die hohe Sitzposition im biederen Van, wenn man auch das stylische SUV haben kann? Nun sind viele SUVs außen schicker als die Kompakt-Vans, doch das Raumkonzept der Vans überzeugt Familien immer noch mehr und reiferen Kunden sind manche SUVs vielleicht schlichtweg ein Stück zu hip. Mercedes, BMW und Volkswagen kämpfen nun alle drei mit neuen Modellen oder Facelifts um die Vorherrschaft am neuen schicken Kompakt-Van-Markt.
Volkswagen hat jüngst den Golf Plus zum neuen Golf Sportsvan gemacht, dieser wurde dadurch salonfähiger und staubte sich vom biederen Image ab. In einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis bietet er gerade im hohem Ausstattungsniveau zweifelsohne Premium-Qualität und ein tolles Raumkonzept. Insgeheim freut man sich bei Volkswagen darüber, dass Mercedes seine alte A-Klasse neu konzeptioniert hat. In Wolfsburg ist man sich sicher, einige bisherige A-Klasse-Kunden erwischt zu haben, die nun keineswegs die neue A-Klasse mit nun sportlicherem Einsteig nehmen möchten und auch nicht die deutlich größere und teurere B-Klasse wünschen.
Bei BMW steht der neue BMW 2er Active Tourer auf dem Programm und stellt sich preislich auch direkt gegen die Mercedes B-Klasse.
Golf Sportsvan – ab 19.625 Euro
Mercedes B-Klasse – ab 27.100 Euro
BMW 2er Active Tourer – ab 27.200 Euro
Wer glaubt, der Golf Sportsvan könne nicht mithalten, nur weil er deutlich günstiger ist beim Einstiegspreis, der irrt.
Schauen wir uns also an, was die Mercedes B-Klasse sonst noch von den Konkurrenten unterscheidet.
Mercedes B-Klasse in zweiter Generation
Die erste Mercedes B-Klasse Generation (T245) lief von 2005 bis 2011, die zweite Generation W246 läuft seit 2011. Allein diese zweite Generation wurde weltweit über 350.000 Mal verkauft.
Facelift
Das Facelift im November 2014 erhält nun beim Design außen wie innen nur marginale Änderungen. Beim Exterieur gibt es einen neuen Stoßfänger, größere seitliche Lufteinlässe und ein LED-Tagfahrlicht, das sich innerhalb der Scheinwerfer-Einheit befindet. Am Heck gibt es ebenfalls einen neuen Stoßfänger, die Endrohrblenden sind in diesen integriert.
Beim Interieur betreffen die Änderungen vorwiegend die Umstrukturierung der trim levels. So gibt es von nun an die Linien Style, Urban und AMG Line, die sich jeweils durch eigenständige Details unterscheiden.
Dass es bei einer B-Klasse auch eine AMG-Line gibt, mag komisch anmuten, aber so kann man sich seine Familienkutsche deutlich aufpeppen. Bei dem AMG Styling gibt es anders lackierte Lamellen im Kühler, eine zweiflutige Auspuffanlage, eine Tieferlegung und eine direktere Lenkung. Nicht fehlen dürfen die 18-Zoll-AMG-Felgen. Unsere Fotos zeigen die Verbindung von AMG- und Night-Line, dabei kommen dann schwarze Hochglanzelemente hinzu, etwa am Kühlergrill, an den Felgen, an den Spiegelkappen sowie in Form des privacy glass an den hinteren Seitenscheiben.
Im Innenraum gibt es bei der AMG-Line Mikrofaser/Kunstleder-Mix Sitze und ein abgeflachtes Sportlenkrad. Und die obligatorische Alu-Pedalerie. Der Innenraum stärkt dadurch insbesondere durch die AMG-Line seine Vorherrschaft beim Design. Die fließenden Linien und die klare Anordnung der Instrumente und Designelemente sprechen für sich. Störende Kanten und Spalte werden durch überhängende Elemente geschickt verdeckt. In der AMG-Line ziert der Karbonfaser-Look das Armaturenbrett.
Die hintere Sitzbank lässt sich übrigens im 1/3 – 2/3 Verhältnis nach vorne und hinten schieben, um den Kofferraum zu verkleinern bzw. zu vergrößern. Zudem sind alle rückwärtigen Sitze umklappbar, allerdings nur mit einer Schlaufe von der Passagierseite und nicht vom Kofferraum aus.
Um mit der Konkurrenz Schritt zu halten, setzt Mercedes bei allen Ausstattungslinien im Innenraum also auf noch mehr Premium. Das Display hat nun eine Diagonale von 8 Zoll, eine Ambiente-Beleuchtung ist in 12 Farben erhältlich.
Bei den Assistenzsystemen wird dem Collision Prevention Assist ein „Plus“ angehängt, dieser übernimmt ab sofort eine selbstständige Teilbremsung im Gefahrenfall, um Auffahrunfälle zu verhindern oder abzumildern. Wir haben den Live-Test gemacht, wie wir im Gesamt-Video (oben) oder auch hier im Teil-Video sehen.
Dazu sind wir einmal mit ca. 30 bis 40 km/h auf ein festes Hindernis zugefahren, haben einfach den Fuß auf dem Gaspedal gelassen aber ansonsten nichts gemacht. Automatisch ging die B-Klasse in die Eisen. Bei einer manuellen Gangschaltung wird der Motor abgewürgt, was aber nicht schlimm ist, da man dann steht. Das System funktioniert noch nicht für Fußgänger, weil es per Sensorsteuerung funktioniert, dafür müsste man dann das umfassendere System Intelligent Drive ordern. Was aber wichtig ist: Collision Prevention Assist Plus kommt serienmäßig. Allein durch die Gefahrenwarnung, so Mercedes, konnten schon 14 Prozent der Auffahrunfälle vermieden werden. Nun mit der autonomen Bremsung sollen es bis zu 30 Prozent vermiedene Unfälle werden.
Das Ganze funktioniert auch bei sich bewegenden Objekten, wie ebenfalls der Film zeigt. Wenn der Geschwindigkeitsunterschied bis zu 40 km/h ist zwischen vorausfahrendem und folgendem Fahrzeug, kann der Auffahrunfall auch hier komplett vermieden werden. Bei einem größeren Geschwindigkeitsunterschied werden zumindest die Folgen abgemildert.
Beim Multimediasystem versucht Mercedes wie in den USA das Mercedes connect me durchzuboxen, was u.a. Dienst wie Unfall-, Wartungs- und Pannenmanagement enthält. Ein Schelm, wer denkt, dass so etwas für einen neuen Mercedes so nötig sei.
Motoren
Etwas mehr als ein Drittel der Neuzulassungen in Deutschland geht als Diesel über den Ladentisch des Händlers, Allrad spielt bisher nur selten eine Rolle.
Diesel (27.900 – 36.000 Euro Einstiegspreise)
B 160 CDI, 1,5 Liter, 90 PS
B 180 CDI, 1,5 Liter, 109 PS
B 200 CDI, 2,2 Liter, 136 PS
B 220 CDI, 2,2 Liter, 177 PS
Benziner (27.100 – 35.100 Euro Einstiegspreise)
B 180, 1,6 Liter, 122 PS
B 200, 1,6 Liter, 156 PS
B 220 4MATIC, 2,0 Liter, 184 PS
B 250, 2,0 Liter, 211 PS
Fahrverhalten
Wir sind in unserem Test den B220 Benziner sowie den B220 Diesel gefahren. Zunächst zum Benziner: Dieser glänzt durch die Laufruhe und die großen Kraftreserven, mehr PS braucht in diesem Fahrzeug kaum jemand. Selbst auf Bergstraßen hatten wir hier immer genügend Durchzug. Auch in der Stadt macht dieser Motor Freude – es sei denn, man kommt an die Tankstelle. Über 10 Liter / 100 km können es dann schon mal werden und das ist deutlich zu viel.
Der 220 CDI erscheint uns dagegen als geeigneter Motor. Hier lag unser Testverbrauch bei ca. 7 l / 100 km. Wir finden, dass ein Diesel auch besser zur B-Klasse passt, da es sich hierbei eher um ein entspanntes Reiseauto handelt.
Das Fahrwerk ist wie von Mercedes gewohnt überragend und einfach herrlich komfortabel. Die Sitze der AMG-Line sind etwas fester, wer es gemütlicher mag, der sollte auf die AMG-Ausstattung verzichten. Die aufrechte Sitzposition und das Gefühl, viel Platz im Innenraum auch vorne zu haben, tragen zum entspannten Fahrgefühl bei.
Die Lenkung ist sehr leichtgängig, gerade das Wenden ist ein Kinderspiel. Allerdings würden wir uns eine etwas progressivere Verhaltensweise von der Lenkung wünschen, so dass man nicht ganz so viel Lenkweg haben muss. Gerade, wenn es mal durch Serpentinen geht, muss man zwar nicht mit viel Kraft am Lenkrad arbeiten, aber man hat schon das Gefühl, als müsste man das Lenkrad jedes Mal einmal herumdrehen.
Äußerst angenehm ist das Fahren auch für Personen im Fond, selbst große Erwachsenen kommen hier wunderbar zurecht. Die aufrechte Sitzposition lässt im Fond fast das Gefühl entstehen, man würde auch auf einem Vordersitz sitzen.
Alternative Antriebe
Mercedes bietet löblicherweise die Alternativen Erdgas, B 200 Natural Gas Drive, und B‑Klasse Electric Drive an. Erdgasbehälter und Reserve-Benzintank (bivalenter Antrieb) oder singulär die Batterie sind dabei jeweils im Fahrzeugboden untergebracht, damit der Kofferraum nicht schrumpft. Die Erdgasvariante ist gegenüber dem vergleichbaren Benziner gut 3.000 Euro teurer.
B 200 Natural Gas Drive (ab 32.903 Euro)
B‑Klasse Electric Drive (Preis noch unbekannt)
Mehr zur B-Klasse Electric Drive hier im Video:
Mercedes B-Klasse Abmessungen
Länge: 4,35 m
Breite: 1,81 m
Höhe: 1,59 m
Radstand: 2,69 m
Leergewicht: 1395 – 1475 kg
Zu den Händlern rollen die überarbeiteten Modelle ab dem 29. November 2014. Die Preise starten bei 27.100 Euro für den B 180 (Benziner).
Fazit: Die Mercedes B-Klasse verteidigt mit dem jüngsten Facelift die Design-Führung unter den Premium-Kompakt-Vans. Sowohl beim Exterieur als auch beim Interieur wirkt die B-Klasse am liebevollsten und am stylischsten gestaltet. Es entsteht zweifelsohne der hochwertigste Eindruck. Das entspannte Fahrverhalten überzeugt auf ganzer Linie, abgesehen von dem jeweils etwas zu weitem Lenkweg. Die AMG-Line bietet einzigartig auf dem Markt die Möglichkeit, sein Familienfahrzeug attraktiv sportlich zu gestalten. Ob man schließlich bei Mercedes oder BMW landet, dürfte eher Markenphilosophie sein. Wobei wir davon ausgehen, dass die gefestigte B-Klasse sich vorerst gegen den Neuling 2er Active Tourer gut behaupten wird. Lediglich wer nicht markenfixiert ist, der dürfte gerne auf die deutlich günstigere Alternative Golf Sportsvan schielen. Denn Mercedes lässt sich den schönsten Premium-Kompakt-Van auch teuer bezahlen.
Text & Fotos: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Videos: Autogefühl, Katharina Kruppa & Thomas Majchrzak
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