Die Formula E hat nach den ersten drei Läufen in China, Malaysia und Uruguay bereits gezeigt, dass auch elektrisch angetriebene Rennwagen durchaus spannende Rennaction erzeugen können. Nun wagt es ein spanisches Team erstmals, die legendäre Dakar 2015 mit Zero Emission-Power zurückzulegen. Mehr über den elektrisch angetriebenen Acciona 100% EcoPowered und seinen großen Unterstützer im Hintergrund von Thomas Imhof
Die „Dakar“ führt zwar schon seit 2008 nicht mehr durch ihre ursprüngliche Heimat Afrika. Doch auch im südamerikanischen Exil hat sie ihren Ruf, die härteste Prüfung des Motorsports zu sein, nicht eingebüßt. Wenn es am 4. Januar in Buenos Aires zum Start der 37. Auflage – der dann siebten in Südamerika – geht, rollt erstmals ein nur von der Kraft seiner Batterien angetriebenes Fahrzeug von der Startrampe. Hinter dem Acciona 100% EcoPowered steht das seit rund einem Jahrzehnt auf erneuerbare Energien und nachhaltige Prozesse spezialisierte und multinational tätige Unternehmen Acciona mit Hauptsitz in Madrid.
Mit dem Ersteinsatz bei der Dakar runden die Spanier eine werbeträchtige Zero-Emission-Trilogie ab, die 2011 mit einer Expedition in die Antarktis begann. 100 Jahre nach Amundsens Erstlings-Gang zum Südpol erreichte ein nur mit Hilfe von Windkraft und Segeln angetriebener Schlitten samt einem darauf montierten Zelt für die vierköpfige Crew den südlichsten Punkt der Erde. 2012 sorgte Acciona mit der Teilnahme an der Vendée Globe erneut für weltweites Aufsehen. Diesmal mit einer Hochsee-Yacht, die ohne einen einzigen Tropfen fossilen Brennstoff zu verschwenden im Solobetrieb (fast) einmal um den Erdball segelte. Denn 350 km südlich der Azoren -also schon mit strammem Kurs Richtung Ziel an der französischen Atlantikküste – musste Skipper Javier Sansó nach dem Bruch des Kiels einen Notruf absenden und aufgeben.
Nun also die Dakar, sagte sich Acciona – und das gleiche Kunststück übersetzt auf das Festland und ein zweisitziges Auto im Stil eines typischen Dakar-T1-Renners. Die Entwicklung des Acciona 100% EcoPowered lief über zwei Jahre – vorangetrieben durch ein interdisziplinäres Team aus über 20 Ingenieuren. Deren Ziel war es, die optimale Synthese zwischen einem 100 Prozent elektrischen Antrieb und den Anforderungen an ein lupenreines Dakar-Auto zu finden.
Dazu braucht es zunächst einmal eine adäquate Power: Der Synchron-Elektromotor leistet bei 6.000 Umdrehungen pro Minute 220 kW oder 300 PS und entwickelt ein maximales Drehmoment von 700 Nm. Er wiegt nur 80 – und damit 200 Kilogramm weniger als ein vergleichbarer Verbrennungsmotor.
Die vier Lithium-Ionen-Batterien haben eine Speicherkapazität von zusammen 140 kWH (35 kWH pro Einheit). Bei einer auf 150 km/h limitierten Höchstgeschwindigkeit und mit zusätzlicher Hilfe eines Energierückgewinnungssystems (KERS) soll dies für eine Reichweite von 350 Kilometern reichen. Nicht genug für die teils bis zu 800 Kilometer langen Etappen der „Dakar“, doch soll dieses Problem auf längeren Abschnitten durch „Boxenstopps“ zum Wechseln der Akkus gelöst werden. Man darf jetzt schon gespannt sein, ob dies wirklich reibungslos funktionieren wird. Und wie die (gekühlten) Batterien Hitzespitzen von bis zu 50 Grad vertragen. Geladen werden kann das Wüstenschiff auf kürzeren Tagesetappen aber auch per Quickcharger (50 kW) sowie notfalls auch an der Haushaltssteckdose (220V) oder einem industriellen Anschluss mit 400 Volt.
Zur Versorgung des 12-Volt-Bordnetzes für Telemetrie sowie Navigations- und sonstige Sicherheitssysteme steht zudem ein 0,25 m2 großes, im Heckspoiler installiertes Solarpanel mit einer Leistung von 100Wh bereit.
Abgesehen vom elektrischen Antriebsstrang erhielt der 5,05 Meter lange und 2,18 Meter breite Acciona 100% EcoPowered das komplette Rüstzeug für einen authentischen Dakar-Renner. Sprich eine hyperleichte Karosserie aus Kohlefaser, einen Rohrrahmen aus Chrom-Molybdän-Stahl, ein fünffach höhenverstellbares Fahrwerk mit 450 Millimeter Federweg, eine elektro-hydraulische Servolenkung sowie grobstollige Geländereifen der Größe 35 Zoll (hinten) und 33 Zoll (vorn). Der lange Radstand von 3,16 Metern gibt Stabilität vor allem bei Sprüngen. Das Gewicht variiert je nach Energiekapazität: 2.550 Kilo bei voller Leistung, 2.100 Kilo bei 75 und nur noch 1.250 Kilo bei 25 Prozent Power-Haushalt.
Es ist das erste Mal in der 37-jährigen Geschichte der von Thierry Sabine gegründeten Marathon-Fahrt, dass ein „Stromer“ das aus Autos, Motorrädern, Quads und Lkw bestehende Starterfeld bereichert. Für die über 9.000 Kilometer lange Dakar 2015 benötigt jeder Teilnehmer im Schnitt 2.250 Liter Treibstoff – der Acciona 100% EcoPowered hingegen wird – egal, wie weit er kommt – kein einziges Gramm CO2 in die Luft pusten.
Die Dakar 2015 läuft vom 4.-17. Januar und führt durch Argentinien, Bolivien und Chile – Länder, in denen das in seinen Anfängen bis 1931 zurückgehende Unternehmen Acciona mit eigenen Töchtern in den Bereichen Energie, Infrastruktur und Wasserversorgung vertreten ist. So ist der von den beiden Katalanen Albert Bosch Riera (48) und Agustín Payá (43) gesteuerte E-Renner neben seiner Rolle als Technologievorreiter auch ein exzellenter Werbeträger.
Pilot Albert Bosch Riera: Ein Extremsportler mit großem Umweltbewusstsein
Albert Bosch Riera hat die Dakar schon acht Mal bestritten (1998 und 1999 auf dem Motorrad, 2000, 2001, 2005, 2006, 2007 und 2011 mit dem Auto) und war 2011 der erste Spanier, der die Rallye in einem einsitzigen Buggy ohne Beifahrer absolvierte. Zwischen 2006 und 2010 bestiegt er die höchsten Gipfel der sieben Kontinente („Seven Summits“), bestritt darüber hinaus über 100 weitere Abenteuer wie Extrem-Marathons, Triathlons oder waghalsige Touren auf Skiern und Rennrädern. 2012 lief er im Alleingang 1.152 km weit von der Küste der Antarktis bis zum geographischen Südpol. Diesen Extremsportler kann demnach im Prinzip nichts mehr erschüttern. Auf seinem Blog äußert sich Bosch dennoch vorsichtig zum bevorstehenden Dakar-Abenteuer: „Ich habe die Dakar achtmal bestritten und liebe sie. Doch mein wachsendes Bewusstsein für die Umwelt ließ mich Distanz zu der Veranstaltung gewinnen. Ein Comeback kam für mich nur im Fall einer wirklichen Innovation und eines nachhaltigen Ansatzes infrage. Ich habe schon früher oft davon geträumt, mit einem Elektroauto dort teilzunehmen. Weniger um des Rennens selbst willen, sondern um unsere Verpflichtung zu einer nachhaltigeren Zukunft zu unterstreichen und in dieser Richtung Zeichen zu setzen.
Das ist für mich einer der raren Momente, in denen Träume wahrwerden. Hinter uns liegen zwei harte Jahre an Arbeit, mit viel Spannung und Unsicherheit, denn das ist in vielerlei Hinsicht ein sehr komplexes Projekt: Sportlich, technologisch, ökonomisch, kommunikationstechnisch und personalpolitisch.
Das Risiko zu scheitern ist gerade beim ersten Einsatz noch groß. Viele Leute werden uns kritisieren, viele werden unser Unterfangen für unmöglich halten und uns vorwerfen, nicht alles im Griff zu haben. Doch uns treibt eine große Motivation an: Nicht zu wiederholen oder zu optimieren, was viele andere schon vor uns gemacht haben. Wir wollen stattdessen etwas wirklich Neues angehen, im Rahmen eines sportlichen Abenteuers, aber mit klaren Zielvorgaben und Werten.“
Co-Pilot Agustín Payá fährt seit 1992 Autorennen und hat sich früh auf elektrisch betriebene Fahrzeuge spezialisiert. Eine ausschließlich in Spanien ausgetragene Rennserie für Autos mit alternativen Antrieben – ECORaces – hat er auf einer Mercedes A-Klasse E-CELL zwischen 2012 und 2014 dreimal infolge gewonnen. Zugleich hält der in Barcelona geborene Katalane seit 2013 einen europäischen Streckenrekord für Elektroautos.
Text: Thomas Imhof, Autogefühl
Fotos: Acciona
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