Mit einem waschechten Rallye-Experten auf verschneiter Piste unterwegs sein? Auf zugefrorenen Seen am Polarkreis den Grenzbereich im wahrsten Wortsinn erfahren? Starke Boliden, Alltagsautos und verschiedene Antriebskonzepte auf Herz und Nieren unter die Lupe nehmen? Michelin, der nach Umsatz zweitgrößte Reifenhersteller der Welt, macht es möglich und hat im finnischen Ivalo die diesjährige Michelin Winter Experience veranstaltet. Von Mikhail Bievetskiy
Doch ging es beim diesjährigen Event nicht nur um das Abenteuer am Fahren, sondern auch darum, die neuesten Winterreifen von Michelin zu testen und die Unterschiede zu fabrikneuen Sommerreifen und Spikes zu spüren.
Vergleich: Sommerreifen, Winterreifen und Spikes auf Eis
Die Testfahrzeuge für den ersten Test sind recht gleiche Begleiter: die Schwestermodelle Toyota GT86 und Subaru BRZ. Die heckgetriebenen Coupés gelten als wahre Spaßmacher und Verfechter des unverfälschten Fahrvergnügens, so dass sie für den Test sehr willkommen sind. Die Fahrzeuge sind zum Vergleich mit aktuellen Sommerreifen, Spikes, oder mit dem neuen Michelin Pilot Alpin PA4 bestückt.
Dieser Test ist sehr eindrucksvoll, da er demonstriert, wie viel Fahrsicherheit letztendlich von einem Reifen abhängt. Mit dem Sommerreifen, der unter entsprechenden warmen Bedingungen ein hervorragendes Bild abgibt, hat man auf den Eis-Seen Finnlands schlicht keine Chance auf sicheres Fahren. Geschwindigkeiten über 30 km/h enden schnell und unhaltbar in einem Abflug in den Tiefschnee. Bereits kleinste Gaslupfer lassen das Heck des Coupés wild und unzähmbar ausbrechen.
Im Gegensatz dazu das Fahrzeug mit der Spike-Bereifung: Wie festgewachsen kann man seine Runden ziehen. Nahezu unbeirrt der Gaspedalstellung oder des Lenkwinkels verzahnen sich die feinen Metallspitzen mit dem Untergrund und ermöglichen somit ein sehr sicheres Fahrverhalten. Für die rauen winterlichen Bedingungen am Polarkreis sowie im skandinavischen Raum, die ein Vorankommen ohne diese Reifen nicht zulassen würden, sind diese Pneus sicherlich die beste Wahl. Doch der deutsche Winter ist in der Regel eher von Regen und Nässe geprägt ist und verlangt andere Fähigkeiten.
Dafür eigenen sich am besten fabrikneue Winterreifen. So ausgerüstet, bestreitet der Testwagen den verschneiten und vereisten Parcours zwar nicht so sicher, wie das Fahrzeug mit der Spike-Bereifung, doch bleibt der Unterschied zum Sommerreifen immens. Der Grip ist von der ersten Radbewegung auf einem gänzlich höheren Niveau und geht eine starke Verbindung mit einer guten Stabilität ein, die in den entscheidenden Momenten für Sicherheit sorgt.
Verfügbar ist der Michelin Pilot Alpin PA4 übrigens generell für leistungsstarke Limousinen und Sportcoupés, sowie in 88 Varianten in den Größen von 17 bis 21 Zoll. Er deckt dabei Geschwindigkeitsbereiche von maximal 210 bis 270 km/h ab. So eignet dieser Pneu sich also auch für besonders sportliche Autos, wie etwa einen Porsche 911 Turbo oder aber einen Jaguar F-TYPE, die sich im Performance-Test den Testteilnehmern stellen dürfen.
Performance-Test mit Porsche 911 Turbo und Jaguar F-TYPE
Unter den harten Testbedingungen zeigt sich besonders der allradgetriebene Porsche von seiner besten Seite: Fast mühelos lässt sich das Zuffenhausener Geschoss über die Eisseen werfen. Der Allradantrieb zieht das turbo-aufgeladene Coupé immer in die vorgegebene Richtung und lässt den Boliden damit absolut gutmütig und leicht beherrschbar erscheinen. Es ist faszinierend, wie gut sich ein Fahrzeug mit dieser Leistung, nachdrückliche 520 PS, kontrollieren lässt – mit ein Verdienst der überzeugenden Bereifung.
Dass es aber auch anders geht, zeigt das rassige englische Sportcoupé. Der Jaguar F-Type, ausschließlich mit Heckantrieb ausgerüstet, ist nur den erprobten Kennern und Könnern zu empfehlen. Die früh anliegende Motorkraft – Kompressor sei Dank – lässt die Experience-Teilnehmer mit größter Vorsicht auf das Gaspedal reagieren. Viel mehr als kleine Driftwinkel sind nicht möglich, da sonst der Ausflug in den Tiefschnee droht. So zeigt sich also auch, dass selbst der beste Winterreifen ohne einen verantwortungsbewussten Fahrer nicht alles retten kann.
Spezielle Winterreifen je nach Fahrzeugklasse
Weiter geht es mit dem neuen Michelin Alpin 5, der, seiner Positionierung in der Kompakt- und Mittelklasse entsprechend, auf aktuelle VW Golf aufgezogen ist. Dieser Reifen ist in 59 Varianten erhältlich und deckt die Größen von 195/65 R15 bis 225/45 R17 ab (also 15 bis 17 Zoll). Dabei sorgen weiterentwickelte Laufflächen für eine nochmals bessere Verzahnung im Schnee und speziell gestaltete Profilblöcke für starke Haftung und erhöhte Sicherheitsreserven. Die seitlichen Kanäle führen Wasser sehr gut ab und führen somit zu einer Verringerung des Aquaplaning-Risikos. Zusammen mit der hohen Lamellendichte ergibt sich so eine starke Traktion. Das stellt den Alpin 5 als wahren Allrounder heraus. Dies zeigt sich bei den Testfahrten sehr deutlich: Hitzköpfige Manöver werden vom stets wachsamen elektronischen Sicherheitsnetz des Golf sauber pariert und finden im Reifen einen tatkräftigen Unterstützer.
SUV-Test mit Range Rover Evoque und VW Touareg
Ein weiteres Highlight der Michelin-Experience stellt der SUV-Test dar. Faszinierend dabei ist, wie ausgereift die Technik heute funktioniert und wie mühelos sich die bereitgestellten Begleiter, Range Rover Evoque und VW Touareg, auf dem schwierigen Terrain bewegen. Ausgerüstet mit Michelin Latitude Alpin LA2, der für Premium-SUV konzipiert wurde, gibt es kaum eine Herausforderung, derer die Testwagen nicht gewachsen waren. Schließlich verfügt der Pneu, wie der PA4 und der Alpin 5 auch, über spezielle Eigenschaften für die Fahrzeugklasse.
Dazu gehören beispielsweise die StabiliGrip-Lamellen: In unterschiedlichen Winkeln angeordnet, sorgen sie für mehr Traktion und durch ihre steiferen Profilblöcke für ein verbessertes Durchbrechen des Wasserfilms. Dies sorgt letztendlich für verbesserten Fahrbahnkontakt und eine erhöhte Lenkpräzision. Darüber hinaus spielt auch die so genannte Helio Compound-Gummimischung eine wichtige Rolle. Diese Mischung baut auf Silica (Siliciumdioxid, Mineral) und Sonnenblumenöl auf, wofür Michelin ein Patent hält, und soll eine bessere Haftung bei allen widrigen Bedingungen gewährleisten.
Mitfahrt mit dem Rallye-Meister
Den Gipfel des Events bietet die Mitfahrt in einem Subaru WRX STi, der von keinem geringeren als der Rallye-Ikone Armin Schwarz pilotiert wird. Laien mögen auf diesem Ritt mit ihrem Leben abschließen, erfahrene Beifahrer genießen die Fahrt in vollen Zügen. Ausnahmslos alles, was Otto-Normal-Verbraucher in seinem Autofahrer-Leben erfährt, ist nichts gegen das Talent und Können des Rennfahrers Schwarz. Geschwindigkeiten, die jenseits der Richtgeschwindigkeit auf deutschen Autobahnen liegen, werden durch Waldschneisen gefahren. Drifts, die in ihren Winkeln kaum kühner ausfallen könnten, Sprungkuppen, die das letzte bisschen Mut erfordern und ein Fahrer, der die Ruhe in Person darstellt, stellen einmalige Erinnerungen dar, die man so schnell nicht vergisst. Letztlich zeigen sie aber auch, was den Unterschied zwischen einem waschechten Rennfahrer und dem eigenen Können ausmacht. So bleibt schließlich die Erkenntnis, dass man im öffentlichen Straßenverkehr nie das Potential eines Autos ausloten sollte, da die Leistungen, die heute erreicht werden, dem Prinzip höher, schneller und weiter entsprechen, aber das Können des Alltags-Fahrers zumeist auf einem stetigen Niveau bleibt – selbst mit griffigen Reifen.
Text & Fotos: Autogefühl, Mikhail Bievetskiy
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