Mit dem Hyundai Genesis kehrt keineswegs der jüngst ausgelaufene Sportwagen zurück (Genesis Coupé), sondern ein Fahrzeug der oberen Mittelklasse, das sich also grundsätzlich im Klassenbereich von 5er BMW, Mercedes E-Klasse, Audi A6 & Co. bewegt. Macht das für Hyundai wirklich Sinn, kann der neue Hyundai Genesis mithalten oder mit einem günstigen Preis punkten? Im Testbericht sehen wir uns den Neuling genauer an. Von Thomas Majchrzak
Die erste Generation des Hyundai Genesis lief seit 2008 außerhalb von Europa, die zweite Generation, die es seit dem vergangenen Jahr gibt, kommt nun auch nach Europa. Bislang hatte sich Hyundai mit diesem Segment schwer getan, weil schon andere Exoten wie Lexus oder Infiniti mengenmäßig nicht sonderlich erfolgreich in Deutschland sind. Der Anteil der oberen Mittelklasse am gesamten Automarkt in Deutschland beträgt gerade einmal 4 Prozent, zudem ist diese Klasse gegen den positiven Markttrend in 2014 um 10 Prozent geschrumpft. Parallel sind im Jahr 2014 nur die Segmente Sportwagen und Vans geschrumpft, alle anderen gewachsen. Außer den großen drei Premium-Herstellern hat eigentlich niemand eine Schnitte in der oberen Mittelklasse.
So musste sich Hyundai nach der überraschenden Entscheidung nun ein Konzept einfallen lassen, dass die Produktionskosten sowie den Fahrzeugpreis niedrig hält. Die Lösung: ein „Einstiegspreis“ von 65.000 Euro, der aber gleichzeitig auch der Einheitspreis ist. Denn der Hyundai Genesis kommt mit mehr als Voll-Ausstattung, was ihn dann wieder deutlich günstiger als die Konkurrenz macht. Ganz zu schweigen davon, dass ein Hyundai-Händler womöglich mehr Rabatt gewährt als ein Mercedes-Händler. Zum Vergleich: Eine Mercedes E 500 4MATIC Limousine mit 408 PS liegt bei 74.000 Euro, mit vergleichbarer Ausstattung deutlich über 80.000 Euro. Dann wird der Preisunterschied deutlich. Denn der Hyundai Genesis hat für seine 65.000 Euro einen 3.8 V6 mit 315 PS unter der Haube und alles, aber wirklich alles an Ausstattung, was man sich in der Oberklasse überhaupt vorstellen kann. Oberklasse? Von der Ausstattung her wäre das tatsächlich so, aber preislich ist das Fahrzeug wie erwähnt in der oberen Mittelklasse.
Exterieur
Herrlich, wenn man bei einem Fahrzeug nur die Außenfarbe wählen muss und dann fertig ist. Wunschlos glücklich heißt das Prinzip, und das beginnt mit einem markant aufgestellten Kühlergrill in hexagonaler Form. Darauf thront ein Flügel-Emblem, das an Bentley oder Aston Martin erinnert. Es wurde eigens für den Hyundai Genesis entwickelt. Das Logo wird übrigens auch vom Puddle-Light auf den Boden geworfen (Licht leuchtet unterhalb des Außenspiegels die Straße zum Einsteigen aus). Ferner sind die Türgriffe bei Dunkelheit beleuchtet.
Die Seitenlinie ist durch zurückhaltende Eleganz geprägt. 19 Zoll Leichtmetallfelgen sorgen für den richtigen Stil. Die Dropping-Line, die Licht und Schatten unterteilt, verläuft auf Höhe der Türgriffe – ganz wie bei vielen aktuellen Automodellen. Gerade der Abschluss zu dem sich etwas erhebendem Heck erinnert sehr an einen BMW 5er, von der Seite betrachtet könnte wirklich ein BMW-Logo vorne draufstecken. Wer Neuling in der Klasse ist, muss sich Vergleiche gefallen lassen. Also: Von hinten sehen wir Ähnlichkeiten zum Infiniti Q70 oder zum Maserati Ghibli.
Aber egal, welche anderen Fabrikate man erkennen mag: Das Gesamtdesign des Hyundai Genesis ist mehr als zeitgemäß, ausgewogen und mit schönen Designperlen gespickt. Lediglich die Entscheidung für ein eigenes Logo ist etwas seltsam, will man sich verstecken? Hinten prangt schließlich das Original-Hyundai-Logo. Wenn, dann hätte man eine komplett eigene Submarke machen sollen – oder eben gar keine.
Interieur
Was fällt sofort auf? Das Genesis-Logo sitzt auch auf dem Lenkrad, und so bekommt man zumindest im Interieur nicht sofort eingetrichtert „Du sitzt in einem Hyundai“, sondern eher „Du sitzt in einem Genesis“. Das ist wieder der Spagat, wie will man sich hier entscheiden? Das Lenkrad selbst ist eines der wenigen Teile, die im Fahrzeug nicht allzu hochwertig wirken, mehr wie in einem amerikanischen Ford-Taxi. Da hält Hyundai nicht mit der Konkurrenz mit. Aber der Rest ist, wie wir nun schildern werden, wirklich überzeugend.
Die Sitze kann man wahlweise in den Tierhaut-Farben Crème, Karamel oder Schwarz bestellen, kontrastierend dazu gibt es dann helles oder dunkles Echtholz. Das offenporige Holz ist wunderschön und mehr als Premium-alike, schade nur, dass man nicht auch Sitze ohne Tierbestandteil bestellen kann.
Die Sitze selbst haben von der Form her unterschiedlich stark gepolsterte Zonen. Die Seitenwangen des Fahrersitzes kann man individuell aufplustern für mehr Seitenhalt. Große Menschen freuen sich über eine ausziehbare Sitzfläche, elektrisch versteht sich. Sitzheizung und sogar Sitzlüftung sind ebenfalls inklusive – sogar für die Rücksitze! Passend dazu gibt es für die Luftzufuhr eine Drei-Zonen-Klimatisierungsautomatik. Also für Fahrer, Beifahrer und für die Fondpassagiere.
Und da befinden wir uns mit den Features tatsächlich schon auf Oberklassen-Niveau. In dieselbe Richtung zielen das elektrische Heckscheibenrollo, das mit einem Knopf links leben dem Lenkrad bedient werden kann, sowie die seitlichen Sonnenrollos an den hinteren Scheiben. Bestens ausgerüstet für den amerikanischen Markt mit langen Highwayfahrten bei prallender Sonne. Wer dabei Musik hören möchte: Sie erklingt aus 17 Lautsprechern. Die Bedienung kann dabei sogar vom Fond aus erfolgen.
Von vorne werden die meisten Funktionen über ein 9,2 Zoll Display mit Touchfunktion bedient. Darauf wird auch die 360°-Ansicht der Fahrzeugumgebung projiziert, die beim Rückwärtseinparken hilft – enorm wichtig bei knapp 3 Metern Radstand, so dass man mit den 19-Zoll-Felgen keinen Bordstein mitnimmt. Im Sichtfeld des Fahrers prangt ein Head-up Display, das für zusätzliche Sicherheit sorgt. Mit einem Blick nach oben entdeckt man ein großes Panorama-Glasdach, das sich auch öffnen lässt.
Übrigens merkt man das Luxus-Niveau schon vor dem Einsteigen: Für alle Türen gibt es einen elektrischen Türeinzug, den so genannten Soft Close. So muss man die Türen nie zuknallen, den letzten Zentimeter übernimmt ein Elektromotor. Der Kofferraum ist für eine tendenziell unpraktische Limousine übrigens sehr geräumig und auch die „Ladeluke“ fällt recht üppig aus. Allerdings kann man die Sitze nicht umklappen.
Die Platzverhältnisse für die Passagiere fallen vorne großzügig aus, im Fond wird es allerdings für große Menschen knapp mit dem Kopf, wenn sie sich zurücklehnen – die schöne abfallende Limousinenform ist Schuld.
Fahrverhalten
Der Hyundai Genesis will natürlich kein Sportfahrzeug sein. In der Regel ist es auch so, dass die asiatischen Hersteller eher auf den Langstreckenkomfort für die Highways in Amerika und für die verstopften Städte in Japan setzen als auf deutsche Vorstellungen von Fahrdynamik. So auch hier. Das muss kein Nachteil sein, sondern ist eine Frage der Erwartungen. Nicht jeder will eine sportliche Limousine haben. So fährt sich der Hyundai Genesis – nicht negativ gemeint – wie ein leicht wankendes Schiff, das alle Insassen wohl behütet von A nach B bringt. Die Lenkung ist aus sportlicher Sicht weitgehend tot, so ergibt sich automatisch eine starke Abgrenzung z.B. zu BMW-Kunden. Hyundai Genesis fährt, wer das sanfte Gleiten liebt.
Die Beschleunigung bleibt jedoch mit 6,8 Sekunden von 0 auf 100 km/h recht sportlich, schließlich arbeiten wir hier mit einem 3.8 Liter V6. Dieser ist, wie man so schön sagt, natürlich beatmet, hat also keinen Turbolader mit an Bord. Ein klassischer Sauger, sagt der Automann. Vorteil: Im Voll-Last-Bereich verbraucht dieser nicht so viel mehr als wenn man einen Turbo-Motor bis aufs Äußerste reizt. Nachteil: Er kostet mehr Steuern und verbraucht auch an sich nicht allzu wenig. Mit 11,6 Litern ist der Motor angegeben. Nicht wenig, aber bei den Saugern weichen die Werte nicht so stark ab wie bei den kleinen Turbomotoren. In der Tat kann man den Genesis auf diesen Verbrauch bringen, nur im Stadtverkehr genehmigt er sich deutlich mehr.
Die Kraftverteilung des serienmäßigen Allradantriebs liegt in der Regel bei 50 bis 70 Prozent des Drehmoments auf der Hinterachse und dementsprechend 30 bis 50 Prozent auf der Vorderachse. In Situationen, in denen die Räder an einer Achse durchdrehen, kann allerdings sogar bis zum Verhältnis 0/100 oder 100/0 geswitched werden.
Assistenzsysteme und Sicherheit
Zur umfangreichen Ausstattung gehören heutzutage nicht nur Luxusfeatures, sondern auch moderne Assisstenzsysteme. Und auch damit ist der Hyundai Genesis mehr als gespickt:
– Notbremsassistent (automatisches Herunterbremsen auf 0, im Bedarf bei einer Geschwindigkeit von bis zu 80 km/h)
– Adaptiver Tempomat
– 9 Airbags
– Pre-Safe-Belt (Sicherheitsgurte werden vor einem Aufprall gestrafft)
– Aktive Motorhaube (Fußgängerschutz, Motorhaube hebt sich dem Fußgänger beim Aufprall entgegen, um somit mehr Energie absorbieren zu können, damit der Fußgänger nicht direkt auf den Motorblock knallt)
– Aktiver Spurhalteassistent, der also tatsächlich gegenlenkt
– Toter-Winkel-Warner
Abmessungen
Länge: 4,99 m
Breite: 1,89 m
Höhe: 1,48 m
Radstand: 3,01 m
Leergewicht: 2.150 kg
Fazit: Für 10.000 bis 15.000 Euro weniger als die Konkurrenz aus der Oberen Mittelklasse bekommt man mit dem Hyundai Genesis einen voll ausgestatteten Luxus-Wagen, der kaum Wünsche offen lässt – nur die der sportlichen Fahrer. Wer dagegen Komfort schätzt und das amerikanische Cruisen liebt, der wird mit dem Genesis glücklich. Die Flotten-Dominanz der deutschen Premiumhersteller ist natürlich ein Problem für Hyundai, aber wer den Rotstift ansetzen will, ohne dabei den Firmenwagen-Fahrern den Luxus zu streichen, könnte über den Hyundai Genesis nachdenken. Kann Hyundai Premium? Grundsätzlich ja, die Verarbeitung stimmt und wir konnten nur wenige Details ausmachen, wo Mercedes & Co. die Nase vorn haben – allerdings auch nur wieder in den vergleichbar hohen Ausstattungen.
Autogefühl: ****
Text & Fotos: Autogefühl, Thomas Majchrzak
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