Das neue Porsche 911 Facelift turbosiert die Modellpalette und schärft sie im Design etwas nach. Wir haben uns die Überarbeitung angesehen, in Form des Porsche 911 Carrera 4S Cabriolet, also die auf den 911 Turbo folgende stärkste Motorisierung mit Allrad – und offenem Dach, sozusagen das Traum-Paket für den 911er. Von Thomas Majchrzak
Optisch ist die Überarbeitung des 911er etwas agiler geworden. An der Front wurden die unteren Lufteinlässe etwas aufgeräumt, aber größer gemacht. Zudem agieren sie aktiv, öffnen also nur bei Bedarf, um den Windwiderstand zu optimieren. Das Seitenprofil ist unangetastet. 19 Zoll Felgen sind Standard, die S-Modelle stehen wie auf den Fotos zu sehen auf 20 Zoll, haben größere Bremsen, und zwei Doppelendrohre. Am Heck zeigen die neuen 911er-Rückleuchten mit 3D-Effekt (neue Einkerbung) eine modernere Linie, zudem sind sie schmaler gestaltet. Das Abluftgitter für den Heckmotor ist auch etwas dezenter, insgesamt wirkt das Heck nicht ganz so bullig wie zuvor. Das tut dem Design durchaus gut. Die Abgasanlage ist bei den Nicht-S-Versionen in die Mitte gewandert. Interessant: Die Allrad-Modelle kann man daran erkennen, dass das Heck erstens um 44 mm breiter ist und zweitens die Heckleuchten durch ein waagerechtes Leuchtband verbunden sind. Da dies hier ein 4S ist, sehen wir also die Design-Merkmale von der S- und der Allrad-Variante gleichzeitig. Neu sind auch verschiedene spektakuläre Farben, wie hier das auffällige Racing Yellow oder auch das kitschige, aber unverwechselbar schöne Miami Blue.
Grundsätzlich versprüht der Porsche 911 wie kaum ein anderes modernes Fahrzeug noch den Charme seines Urmodells, was ihn weiterhin zur Ikone macht. Die runden Scheinwerfer sind hier ein Muss und kein No-Go. Bei den meisten anderen Fahrzeugen würde dies als altmodisch empfunden. Der 911er zeichnet sich durch seine gespannten Linien auf, so, als wenn man ein Objekt mit einer straff gespannten Folie überzieht. Während Motorhaube und die unteren Teile der Karosserie gewichtssparend aus Aluminium gefertigt sind, bestehen die Längs- und Querverbindungen rund um das Cockpit herum aus Stahl. Bei den Cabrio-Modellen öffnet sich das Verdeck in 13 Sekunden und das bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h.
Interieur
Das Lenkrad ist vom 918 Spyder inspiriert und ist sowohl ohne als auch mit Multifunktions-Knöpfen zu haben. Wir haben hier eins ohne Schnickschnack, alle Funktionen sind an Bedienhebeln hinterm Lenkrad versteckt. Für alle Lenkräder steht optional eine Lenkradheizung zur Verfügung.
Bei den Sitzen gibt es die Sportsitze, Sportsitze Plus und die Sportschalensitze. Pro Stufe gibt es mehr Seitenhalt, aber auch weniger Bewegungsfreiheit und Komfort. Denn die sportlicheren Sitze sind straffer gepolstert. Leider ist echtes Leder die Serienausstattung, da muss man wohl wieder auf die GTS-Version warten, die dann zumindest Alcantara auf den Mittelbahnen hat. Allerdings bietet Porsche auf Wunsch auch Individualausstattungen an, wenn man also einen 911er frei neu konfiguriert, schadet es sicher nicht, einmal nachzufragen. Nicht ohne Grund hat man das Individualisierungs-Angebot separat in der Preisliste erwähnt. Unser Test-Cabrio hat übrigens die Interieur-Farbe Achatgrau.
Für einen Sportwagen bietet der Porsche 911 einen guten Komfort auf den Vordersitzen. Je nach Version sind diese auch mannigfaltig (elektrisch) zu verstellen.
Endlich ist ein aktualisiertes Infotainmentsystem mit Navigation Serie, wie es sich für einen so hochpreisigen Wagen gehört. Der Bildschirm öffnet das Cockpit weiter, denn er ist nicht mehr tief eingelassen und geht somit besser ins restliche Interieur über. Neu ist auch die serienmäßige Smartphone-Konnektivität, die z.B. Apple CarPlay unterstützt. Erfreulich sind auch die kurzen Reaktionszeiten des Touchscreens.
Toll: Alle Cabrio-Modelle besitzen nun serienmäßig ein elektrisches Windschott. Das erleichtert den Wechsel vom Gepäckmodus (z.B. Reisetasche auf den Rücksitzen abstellen) zum Offenfahrmodus mit besseren Windeigenschaften. Außerdem kann man mal eben schnell zwei (kleinere) Leute auf den Notsitzen mitnehmen und danach in Sekundenbruchteilen wieder das Windschott montiert haben. Die wohl beste Lösung auf dem Cabriomarkt.
Motoren
Bislang arbeitete nur im 911 Turbo eben ein Turbo-Motor, jetzt hat auch der Porsche 911 Carrera seine natürliche Beatmung verloren – und auch etwas an Hubraum, Thema Downsizing. Trotzdem gibt es 20 PS mehr.
Ab sofort wird ein 3,0 Liter 6-Zylinder Boxermotor mit Biturbo verbaut. Je nach Version hat dieser 370 PS (4,4 Sek 0-100 km/h) oder 420 PS (S-Modelle, 3,9 Sek.).
Wählt man ein Cabrio, verliert man auf dem Papier 0,2 Sekunden, wählt man die Allrad-Version, gewinnt man 0,1 Sekunden an Beschleunigung.
Der Basispreis für einen Porsche 911 Carrera liegt bei 96.600 Euro, dann zahlt man Aufpreise für S-Modell (14 k), Allrad (7 k) und Cabrio (13 k) und ist dann bei gut 131.000 Euro für ein Porsche 911 Carrera 4S Cabriolet.
Fahrverhalten
Alle 911er Modelle kommen nun mit adaptiven Dämpfern, um den Alltagskomfort zu erhöhen. Die Spreizung ist deutlich größer geworden, d.h. im Komfort-Modus ist man deutlich gemütlicher unterwegs als vorher. Und das merkt man auch. Der Porsche 911 war noch nie so komfortabel wie jetzt. Jederzeit kann man sich das Fahrwerk dann aber wieder sportlich straff machen. Optional gibt es dann noch das Liftsystem, mit dem man das Fahrzeug um 4 cm anheben kann, um z.B. sicherer auf die Tiefgaragen-Rampe zu fahren.
Die S-Modelle haben zudem das torque vectoring, d.h. dass das Drehmoment einzeln per Rad angepasst wird, um das Fahrzeug noch besser durch die Kurven zu drücken. Das kurveninnere Rad wird dabei leicht eingebremst. Beim Porsche Traction Management (PTM) werden dagegen insbesondere die Kräfte von Vorder- und Hinterachse je nach Situation aufgeteilt. Optional kann man sich für die S-Modelle die aus dem 911 Turbo bekannte Hinterachslenkung bestellen, die bei niedrigen Geschwindigkeiten entgegengesetzt der Vorderräder lenkt und bei höheren Geschwindigkeiten parallel. Das Fahrverhalten ist zweifelsohne fast konkurrenzlos, der 911 liegt einfach herrlich auf der Straße. Agiler ist nur der 718 Boxster, der 911 bietet dafür etwas mehr Komfort und Laufruhe.
Geschaltet wird mit einem 7-Gang-Getriebe manuell oder einer 7-Gang-PDK, dem Doppelkupplungsgetriebe. Wir schalten diesmal manuell, eine knackige Schaltung, die sportlichen Freunden viel Spaß bereitet. Hat man den neuen Fahrmodus-Drehschalter am Lenkrad auf S / Sport gedreht, bekommt man beim Herunterschalten automatisch ein Zwischengas geschenkt. Außerdem wechselt der 911er in den lauten Auspuff-Modus, den man per Taste auch separat aktivieren kann. Dann brüllt er richtig knackig. Ohne diese Taste, also im normalen Fahrmodus (wäre dann z.B. beim Basis-911er so) ist der Porsche-Klassiker geradezu zahm im Geräusch. Und man hört den Turbo durchaus, er macht sich durch ein leises Zirpen bemerkbar. Sound-mäßig hat man hier also einen Rückschritt mit der Turboisierung, es sei denn, man schaltet den Klappenauspuff hinzu. Dann kann sich niemand beschweren. Andererseits muss man auch sagen, dass es durchaus auch einen Understatement-Vorteil hat, in einem Sportwagen nicht super brüllend unterwegs zu sein. Das bleibt also Ansichts- bzw. Geschmacksache. Im Sport+ Modus wird übrigens noch automatisch die härtere Fahrwerksabstimmung hinzugeschaltet, gleichzeitig wird die Stabilitätskontrolle zurückgefahren, so dass Kurvenfahrten auf abgesperrten Strecken noch mehr Freude bereiten.
Grundsätzlich ist der Allrad-Antrieb, den wir hier im 4S fahren, primär auf die Heckleistung ausgerichtet. Man kann sich die Anzeige dazu auch vorne ins Cockpit schalten. Dann sieht man, dass bei normaler Fahrt nur etwas Leistung über die Vorderräder kommt und das meiste nach hinten geschickt wird. Nur bei viel Schlupf wird mehr nach vorne geregelt, ein Sicherheitsplus gerade für Fahrer ohne Sporterfahrung, denn ein am Heck ausbrechender 911er wäre nicht leicht wieder einzufangen. Mit Allradantrieb geschieht das nicht so schnell.
Von der Leistung her ist der neue Turbomotor über jeden Zweifel erhaben. Man merkt gerade in der Handschaltung, dass man nun schaltfaul unterwegs sein kann, weil der Turbo dabei hilft, selbst z.B. im vierten Gang bei niedrigen Geschwindigkeiten noch zügig zu beschleunigen. Der Sauger-Motor vorher wollte eher dann mal einen Gang runtergeschaltet werden. Auf der Verbrauchsuhr wird sich Downsizing auch bemerkbar machen, aber nicht im positiven Sinne. 12 Liter notieren wir auf 100 km, da konnten wir mit dem Sauger-Motor etwas sparsamer fahren.
Offenfahren kann man übrigens bis ca. 100 km/h sehr angenehm, darüber werden die Windverwirbelungen stärker und es wird natürlich auch kälter. Bei der Beurteilung Ganzjahrescabrio vs. Sommercabrio liegt das 911er Cabriolet in der Mitte. Die kleinen Roadster à la 718 Boxster und Audi TT sind deutlich zugiger, die Mittelklasse-Cabrios à la Audi A5 und Mercedes C-Klasse schützen besser.
Abmessungen
Länge: 4,50 m
Breite: 1,81 m (ohne Außenspiegel)
Höhe: 1,29 m
Radstand: 2,45 m
Leergewicht: 1.425 kg
Fazit: Turbo hin oder her, insgesamt bietet das Porsche 911 Facelift zwar nicht den wohlklingendsten und verbrauchsärmsten, aber vom Fahrgefühl her zweifelsohne den bisher ruhigsten, komfortabelsten, feinsten und zugleich leistungsstärksten 911er. Und nun kann man selbst schon in der Basisversion sagen: Ich fahre 911 Turbo. Die neue modernisierte Optik überzeugt, ebenso das aufgeräumte Interieur mit dem neuen Infotainment-System. Fehlen tut per Basis-Version eine Alternative zu Echtledersitzen. Das Handling bleibt über jeden Zweifel erhaben, wobei besonders die größere Spreizung von Komfort zu Sportlichkeit auffällt. Der Porsche 911 ist mehr denn je – gerade als Cabrio – einer der Traumwagen schlechthin.
Autogefühl: ****
Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Autogefühl, Michel Weigel
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