VW der Zukunft: Volkswagen I.D. als reines Elektroauto

Volkswagen wird für Diesel-Motoren keine Preise und kein Image mehr gewinnen, auch wenn die TDI nach der Abgasaffäre besser und sauberer laufen als zuvor. Also bleibt für VW nur eins: die Flucht nach vorn. Und das will Wolfsburg mit einer konsequenten Elektromobilitäts-Strategie erreichen. Auf dem Pariser Autosalon stellt VW daher ein Concept Car vor, das im Groben tatsächlich so umgesetzt werden soll. Volkswagen I.D. heißt das Showcar, hat es das Zeug zum neuen Käfer oder neuen Golf? Von Thomas Majchrzak





Bis 2025 will Volkswagen eine Million Elektroautos pro Jahr verkaufen. Zum Vergleich: Gut 10 Millionen Fahrzeuge verkauft VW derzeit jährlich insgesamt. Wenn man aber die Zulassungszahlen anderer großer Hersteller betrachtet, so wird klar, dass eine Million Elektroautos richtig viel sind. Wie kann man das erreichen? Der neue Volkswagen I.D., wenn er denn auch so heißen wird, soll 2020 eingeführt werden. Eigentlich zu spät. Vermutlich hofft man in Wolfsburg bis dahin auf günstigere Batterien, denn diese werden jedes Jahr günstiger. Zudem soll der MEB, der Modulare Elektro-Baukasten, zu Ende entwickelt werden. Der große Unterschied: Der Volkswagen I.D. ist das erste Auto im Konzern, das rein als Elektroauto ausgelegt ist, und nicht etwa wie e-Golf und e-up! von Verbrenner auf Elektroauto umgemünzt wurde. Das hat zahlreiche (positive?) Folgen in Exterieur, Interieur und Fahrverhalten.

Exterieur

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Einerseits, so VW-Chefdesigner Klaus Bischoff, bietet ein Elektroauto ungeahnte neue Designmöglichkeiten. So muss man keine große Motorhaube einplanen, Lüftungsschlitze vorne fallen weg und im Interieur bleibt viel mehr Platz, weil die Batterien in Sandwich-Bauweise in den Unterboden wandern und kein Mitteltunnel für den Antrieb den Platz verbaut. Andererseits sind die Autokäufer die klassische Pkw-Form gewohnt und eine lange Motorhaube steht auch für Eleganz und Sportlichkeit. Was tun? Beim Volkswagen I.D. hat man sich für die praktische Lösung entschieden, wie damals schon beim VW Bus. Und dabei wird klar: Die ikonischsten Volkswagen-Fahrzeuge hatten beide keine Kühlergitter in der Front, weder der Transporter noch der Käfer. So kann man an die Vergangenheit anknüpfen.

Kennzeichnend für den Volkswagen I.D. ist also die etwas van-artigere Form, die sich aber durch das schnittige Design durchaus in Grenzen hält, der I.D. wirkt Pkw-artiger als gedacht. Die Länge bleibt Kompakt, der I.D. ist mit 4,10 m gut 15 cm kürzer als ein VW Golf, aber der lange Radstand von 2,75 m ist 13 cm länger als beim Golf. Dadurch entsteht später viel Platz im Innenraum. Als besondere optische Leckerbissen hat sich VW „menschliche“ Züge einfallen lassen: So hält der Volkswagen I.D. über die Scheinwerfer die Augen geschlossen, wenn er abgeschaltet ist. Ist die Zündung an, öffnet das Fahrzeug sozusagen die Augen. Seitlich zieren 20 Zoll Felgen den Elektrovan. Auffällig ist ferner, dass es keine Außenspiegel gibt. Diese Funktion übernehmen Kameras, die dann ein seitliches Bild in den Innenraum liefern. E-Mirror heißt das Konzept.

Durch die flach ansteigende Windschutzscheibe haben es die Designer geschafft, dass dieses reine Elektroauto nicht aussieht wie ein kleiner Bus, sondern noch eine Eleganz besitzt. Zusammen mit den blau-weißen Kontrasten und den wenigen, aber prägnanten Designlinien ergibt sich ein stimmiges Konzept, das emotional etwas Neues bietet, aber gleichzeitig die Vorteile eines Elektroauto-Konzepts nutzt.

Interieur

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VW-Chef Herbert Diess im Volkswagen I.D.

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Das Konzept im Interieur heißt Open Space, also freier Raum. Weil kein Antriebsstrang durch das Fahrzeuginnere geht und der Radstand erweitert werden konnte, bleibt viel Platz für die Insassen, mehr als bei gewöhnlichen Fahrzeugen dieser Länge. Zusammen mit dem Konzept des Autonomen Fahrens soll eher eine Lounge entstehen als ein klassischer Pkw-Innenraum. Als Sitzbezug hat Volkswagen attraktiven hellen Stoff gewählt, eine richtige Entscheidung, denn man will schließlich auch für Nachhaltigkeit stehen. Die hinteren Sitze kann man sowohl wie früher im Kino an der Sitzfläche hochklappen, um höhere Gegenstände zu transportieren, als auch klassisch umlegen, damit ein ebener Laderaum entsteht. Maximal entsteht dann ein Laderaum von 960 l.

Dazu tragen auch die digitalen Instrumente bei. Knöpfe gibt es nur noch einen, für das Warnblinklicht. Alles andere wandert in einen großen Bildschirm. Dabei gehen Designflächen nahtlos in Bedienflächen über. Besonders ist auch das neue Head-up-Display, das nach dem Prinzip der Augmented Reality arbeitet. Dabei werden z.B. Pfeile der Navigationsdarstellung nicht auf derselben Stelle im HUD angezeigt, sondern genau dort projiziert, wo sich z.B. die Einbiegung der Straße befindet.
Wie schon in einigen Pilotprojekten, etwa bei Audi oder Volvo, soll der Volkswagen I.D. auch als Paketzentrum dienen, Paketdienste werden dazu kurzfristig den Kofferraum öffnen können, um ein Paket abzulegen.

Schließlich wird noch das Konzept der Volkswagen I.D. eine große Rolle spielen, der I.D.? Damit ist in der Tat so etwas wie eine Apple ID gemeint, also eine persönliche Identifikation mit der Marke und mit seinem Auto. Ziel des Ganzen ist, dass das Auto später jeden einzelnen Fahrer anhand seiner I.D. erkennt und dann dazu passend Sitzkonfiguration, Temperatureinstellung, Musikvorliebe usw. einstellt. Gleichzeitig wird dies Volkswagen natürlich auch dazu dienen, künftige Geschäftsmodelle im Service-Bereich aufzubauen.

Motoren

170 PS leistet der Elektromotor, den es je nach Preis und Ausstattung mit Batterien in verschiedenen Kapazitäten zu kaufen gibt. Damit kommt der Volkswagen I.D. dann auf 400 bis 600 km elektrische Reichweite. Mehr als genug. Aufladen kann man an einer Gleichstrom-Steckdose auf 80 Prozent in 30 Minuten, zu Hause an der Haushaltssteckdose muss man das Fahrzeug mindestens über Nacht stehen lassen. Aber das ist meistens auch gegeben.

Fahrverhalten

Die Beschleunigung erfolgt in unter 8 Sekunden von 0 auf 100 km/h, das Drehmoment des Elektromotors setzt schließlich stets sofort ein. Höchstgeschwindigkeit wird 160 km/h sein, relativ hoch für ein Elektroauto. Durch den niedrigen Schwerpunkt (Batterien im Unterboden) und die ausgeglichene Gewichtsverteilung von nahezu 50/50 wird der Volkswagen I.D. Kernelemente eines Sportwagens in sich tragen, obwohl die Form gar nicht daran erinnert. Der Elektrobaukasten ermöglicht auch einen größeren Lenkeinschlag, so dass trotz des längeren Radstands ein kleiner Wendekreis von 9,90 m möglich wird.

Voll autonom soll der Volkswagen I.D. in 2025 fahren können. Dazu drückt man dann das VW-Logo in der Lenkradmitte, das Lenkrad verschwindet weitgehend und gibt mehr Platz frei. Möchte man wieder in den manuellen Modus wechseln, so betätigt man Bremse oder Gaspedal.

Abmessungen

Länge: 4,10 m
Radstand: 2,75 m
Wendekreis: 9,90 m

Fazit: 2020 soll es dann soweit sein, der Volkswagen I.D. bzw. die Serienversion soll die Welt im Sturm erobern. Kann es ein durchschlagender Erfolg werden wie ein Käfer oder ein Golf? Ja. Das Design ist attraktiv geworden, es entsteht kein großer Van-Eindruck. Der Volkswagen I.D. bündelt viele Vorteile und wenn das Preisversprechen tatsächlich gehalten wird, könnte dies einen weiteren großen Schub in Richtung Elektromobilität geben. Der Preis soll nämlich auf einem ähnlichen Niveau liegen wie ein gut ausgestatteter VW Golf, d.h. er könnte bei gut 25.000 Euro liegen. Für VW könnte es der Befreiungsschlag sein. Die Zeit bis 2020 überbrückt dann der e-Golf, der nun auf eine elektrische Reichweite von 300 km erweitert wurde.

Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos: Autogefühl, Michel Weigel

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