Natürlich ist es reichlich spät, jetzt das erste SUV auf den Markt zu bringen, während der Wettbewerb schon Jahre und oft in der zweiten Generation auf dem Markt ist. Dafür bringt Alfa Romeo mit dem Stelvio nun ein wirklich aufsehenerregendes Auto auf den Markt. Nie zuvor sind wir bei Testfahrten so häufig mit bewundernden Blicken oder einem „Bella“-Ausruf bedacht worden. Der Alfa Stelvio zieht an – taugt er auch was? Von Holger Majchrzak
Alfa baut schöne Autos, das ist zweifelsfrei eine mehrheitsfähige Aussage. Andererseits haben die Fahrzeuge den Ruf einer geradezu divenhaften Unzuverlässigkeit, wurden die Besitzer von den Launen ihres Lieblings geplagt.
Das soll ja alles anders werden. Mit der Giulia hat Alfa Romeo die Attacke auf das Premium Segment gestartet, mit dem Stelvio wird das fortgesetzt. Alfa sieht sich nicht in der Konkurrenz mit gewiss nicht schlechten SUVs aus Korea oder Japan – nein, es geht darum, Porsche, Mercedes, Jaguar oder Audi Dampf zu machen. Da muss man nicht nur bessere, nicht nur gute, sondern exzellente Autos bauen. Nach den ersten Eindrücken ist Alfa da auf einem sehr guten Weg.
Exterieur
Von außen betrachtet ist der Stelvio – benannt übrigens nach einem kurvenreichen Alpenpass – eine Schönheit. Das Design ist stark angelehnt an das der Giulia und mit SUV-typischen Elementen versehen. Vorne prangt fett das Trilobo, das Alfa Markenzeichen, das im Rückspiegel auftauchend so schön den Platz zum Überholen freimacht. Da weiß jeder, da kommt ein schnelles Auto und zweitens auch ein Fahrer, eine Fahrerin, die die Dynamik des Autos auch häufig ausreizen. Damit rückt das Nummernschild auf eine Seite; eine Asynchronität, die überhaupt nicht auffällt, den harmonischen Gesamteindruck nicht stört. Alles fließt am Stelvio.
Dadurch wirkt das Auto deutlich kleiner, als die Maße hergeben. Mit 4,68 m Länge ist das schon ein ausgewachsenes Auto, etwa mit dem Q5 vergleichbar. Aber er wirkt leicht. Massiv geht es einzig am Heck zu, ein breites massives Teil mit dominierenden Auspuffrohren. Hier markiert der Stelvio seine Sportlichkeit.
Interieur
Macht man die Fahrzeugtür auf, denkt man sofort: eine Giulia. Tatsächlich ist das Armaturenbrett nahezu identisch. Beide Fahrzeuge stehen auch auf einer Plattform, bei Alfa Giorgio genannt, und nutzen viele Teile gemeinsam. Besonders auffallend, gerade für einen Sportwagen: Die Flut der Bedienknöpfe ist einer minimalistischen Grundausstattung gewichen. Vieles Wichtige ist ohnehin am Lenkrad bedienbar – da sitzt auch der Start/Stop-Knopf – und ansonsten gibt es in der Mittelkonsole zwei Knöpfe für das Infotainmentsystem und darüber drei Köpfe für die Klimaanlage. Ende im Gelände. Finden wir gut. Ebenso den Bildschirm des Infotainmentsystems, der im Armaturenbrett eingelassen ist. Das beschränkt ihn in der Größe, wirkt aber harmonischer als die wie nachträglich angeflanscht aussehenden Bildschirme von Konkurrenzautos. Kein Touchscreen, alles passiert über den Drehknopf.
Das Infotainmentsystem ist ganz übersichtlich gestrickt, allein die Navigationssoftware kann nicht überzeugen. Langsam bei unseren Testfahrten mit einer Steinzeit-Grafik. Die soll vielleicht schlicht wirken, wirkt aber, wie aus der Zeit gefallen.
Und dann ist da noch der DNA-Knopf für drei vorhandene Fahrmodi. Dreht man ihn, erscheint auf dem Bildschirm eine alarmierend rote Anzeige für den dynamischen Modus. Blau steht für normal und Grün für den Langsam-Fahren – und Sparen Modus.
Die Sitze sind sportlich und eher knackig hart ausgelegt, der Stelvio ist glasklar keine Sänfte. Wie bei Alfa typisch, ist das Cockpit sehr auf den Fahrer fokussiert, der Beifahrer hat kaum eine Chance, mal auf die tief liegenden Anzeigen für Tempo oder Drehzahl zu schauen. Nichts für notorische Kiebitze also.
Vorne sitzt man gut, ist man erstmal an die Härte der Unterlage gewohnt. Hinten finden zwei Erwachsene gut Platz. Der Kopfraum ist reichlicher als der Spielraum vor den Knien. Für die Kurz- und Mittelstrecke geht das sehr gut auch zu viert.
Der Kofferraum fasst 525 Liter, klappt man die Rücksitze um, geht es auf 1.600 Liter hoch. Umzuklappen sind die Sitze im 40-20-40 Split, eine flexible Lösung. Zum Start gibt es den Stelvio in drei Varianten, Normal, Super und Business. Die Quadrifoglio-Variante folgt. Die Qualitätsanmutung ist premium.
An Assistenzsystemen ist das vorhanden, was man zwingend von einem Auto dieser Klasse erwartet, zum Beispiel sind im Serienumfang enthalten: der Kollisionswarner mit autonomer Notbremsfunktion und Fußgängererkennung, Licht- und Regensensor, Parksensoren vorn und hinten sowie ein Spurhaltassistent. Die Konkurrenz hat dann häufig eine deutlich längere optionale Liste. Aber die Alfas als fahrerorientierte Autos kommen womöglich auch mit dem dünnen Paket zurecht. Das Wichtigste ist der serienmäßige Notbremsassistent.
Motoren
Zunächst gibt es den Stelvio mit zwei Motoren, einem 280 PS Turbobenziner und einem 210 PS Diesel. Das mit extremer Leichtbauweise und einer Reihe Alu- und Karbonteilen daher kommende SUV mit einem Gewicht von nur 1.660 kg ist damit auf jeden Fall gut motorisiert. Später wird Alfa zwei kleinere Motoren anbieten mit 210 PS (Benziner) und 180 PS (Diesel).
Und dann kommt noch die Quadrifoglio Version, ein Extremsportler mit 510 PS, derselbe Ferrari-Motor wie in der Giulia.
Fahrverhalten
Zu ersten Testfahrten begeben wir uns ins italienisch-schweizerische Grenzgebiet, da wo auch die Strada dello Stelvio – auf deutsch Stilfser Joch – verläuft. Ein plötzlicher Wintereinbruch mit der Sperrung zahlreicher Alpenpässe sorgte dafür, dass einige der vorgesehenen Strecken, auch die berühmten 75 Haarnadelkurven der Strada Stelvio, zumeist gar nicht befahren werden konnten. Auch wir mussten uns mit entschärften Pass-Varianten begnügen, was allerdings dem Fahrspaß keinen Abbruch tat.
Wie von Alfa Romeo großspurig angekündigt, fährt sich das SUV Stelvio tatsächlich wie ein Sportwagen. Sehr direkte Lenkung, ein vor allem im dynamischen Fahrmodus nervöses Ansprechverhalten des Gaspedals. Gib’s mir sagt der Stelvio hier dem Fahrer. Dass man damit speziell in der Schweiz und den rigiden Kontrollen vorsichtig sein muss, versteht sich. Aber auch innerhalb der Tempolimits kann man den Stelvio gut bewegen.
In der Diskussion steht die schnell zupackende neu konstruierte Bremsanlage, die speziell Alfa Neulinge überraschen mag. Alte Hasen der Marke wissen allerdings, dass die Pedalerie immer auf kurze Wege ausgelegt ist und man seine Füße fein dosieren lässt.
Wir wollen die Meinung von Alfa Romeo nicht ganz teilen, der Stelvio sei das einzige SUV mit derart sportlichen Fahreigenschaften – speziell aus dem Stuttgarter Raum kommen Autos, die das auch bestens können und nicht nur von dort – aber Alfa Romeo hat auf jeden Fall einen Wagen konstruiert, über den man nachdenken kann, wenn man sportlich und mit Platz unterwegs sein will.
Abmessungen
Länge: 4,68 m
Höhe: 1,67 m
Breite: 2,16 m
Fazit: Als langjähriger Alfa-Fahrer bin ich womöglich gar nicht in der Lage, ein objektives Urteil zu fällen, bin verliebt in das Alfa-Design, gefrustet von den kleinen Macken. Der Stelvio ist eine Augenweide mit herausragenden Fahreigenschaften und mit geringen Abstrichen auch Platz im Innenraum. Die Preise starten vorerst bei rund 47.500 Euro und sind im Wettbewerb der Premium-Konkurrenten nicht auffällig. Das Herz aller Alfisti sagt doch eigentlich, den muss man haben. Schon weil einem die Leute am Straßenrand ein “Bella” zurufen. Autos kauft man aber auch mit Verstand. Und danach ist der Alfa Romeo Stelvio eine weitere beachtenswerte Alternative in einem Marktsegment, in dem sich mit Macan, Q5, F-Pace und anderen viele sehr gute SUVs befinden.
Autogefühl: *****
Text: Autogefühl, Holger Majchrzak
Fotos: Autogefühl, Cornelius Dally (Exterieur); Alfa (Interieur)
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