Eine Eigentumswohnung, ein kleines Häuschen, oder den Porsche Panamera Turbo in fast kompletter Ausstattung. So ungefähr kann man die Kaufpreise dieser drei Luxusartikel vergleichen. Kann ein Auto für jemanden, der schon fast alles besitzt, immer noch Glücksgefühle auslösen? Von Thomas Blachetzki
Schick ist er geworden, der Porsche Panamera Turbo in der zweiten Generation. Leichter und agiler auch. Der Buckel im Heckbereich der Serie 1 (immerhin mehr als 150.000 mal verkauft) ist einem gefälligen Rücken im Stile eines Porsche 911 gewichen. Unter der lang gestreckten Motorhaube werkelt nun ein V8 mit 4 l Hubraum, einem TwinTurbo und 550 PS. Der leichtere Motor und der vermehrte Einsatz von Aluminium an der Karosserie kommen sowohl der Agilität, als auch der Verwindungssteifigkeit zu Gute.
Auch von vorne ist der Panamera jeder Zeit als Porsche zu identifizieren. Vier Tagfahr-LEDs je Scheinwerfer zeigen dem vorausfahrenden Fahrer im Rückspiegel: „Hier kommt ein Porsche.“ Zugleich wurde die Frontschürze neu designt und die Scheinwerfer sind etwas strenger gezeichnet. In der Länge ist der Panamera um 3,5 Zentimeter auf 5,05 m gewachsen und duckt sich jetzt 20 mm niedriger, ohne dabei den Passagieren die Kopffreiheit zu rauben. Überhaupt sitzen vier Personen sehr kommod in diesem Rennwagen. Das Auto selbst steht serienmäßig auf 20 Zoll Felgen, die in unserem Testwagen optional auf 21 Zoll vergrößert worden sind.
Das neue Heck ziert, wie schon beim neuen 911 Facelift oder beim 718 Boxster, eine LED-Leiste die zwischen den horizontal gezogenen Voll-LED-Rückleuchten steht.
Der neue Porsche Panamera Turbo wirkt deswegen insgesamt deutlich eleganter und breiter. Er ähnelt fast schon einem 911 mit langem Radstand. Ein Porschekenner würde einen Panamera Turbo auch dann erkennen, wenn die Modellbezeichnung entfernt wurde, ist er doch das einzige Panamera Modell, das durch einen geteilten, elektrisch herausfahrbaren Spoiler noch mehr Anpressdruck auf die Hinterachse bringt. Schließlich beschleunigt der Panamera Turbo in 3,6 Sekunden auf Tempo 100 und sein Vortrieb endet erst bei 306 km/h Höchstgeschwindigkeit.
Interieur
Im Inneren geht es zu, wie man es von einem Luxus-Porsche erwarten darf. Feinste Materialien, einwandfreie Verarbeitung und nun endlich auch ein ansehnliches Lenkrad, das zudem griffgünstig den neuen Fahrmodus-Schalter beherbergt. Über ein kleines Drehrad lässt sich aus der komfortabel fahrenden Reiselimousine so ganz schnell ein hochkarätiger Sportwagen zaubern. Und mit dem Sport-Response-Knopf auch der allerletzte Muskel für 20 Sekunden anspannen. Im Cockpit selber ist nur noch eine Anzeige analog: der Drehzahlmesser. Jeweils rechts und links vom Drehzahlmesser sind nun LCD-Anzeigen verbaut auf denen man sich über das Multifunktionslenkrad verschiedene Informationen anzeigen lassen kann. Vom Spritverbrauch, über den eingestellten Abstand des radargestützten Tempomaten, bis hin zu einem zweiten Navibildschirm, oder dem Bild der optionalen Night-Vision Camera, einem Wärmebild-System, das auch in dunkelster Nacht Wärmequellen wie Fußgänger oder Tiere in der Ferne sichtbar macht. Ein großer Sicherheitsgewinn.
In der Mitte des Armaturenbrettes thront nun ein 12,3 Zoll großer Touchscreen – das Herz des neuen Infotainmentsystems. Designtechnisch ist dieses Display elegant ins Armaturenbrett integriert worden. Der Möglichkeiten sind allerdings derart umfangreich, dass viele, die das Auto das erste Mal besteigen, erstmals die Bedienungsanleitung brauchen. Und wenn es überhaupt noch etwas zu bemängeln gibt, dann sind es die Fingerabdrücke, die man sehr schnell auf der Glasscheibe des Navi-Bildschirmes findet. Nicht nur dort, sondern auch da, wo beim Panamera der ersten Generation unzählige Knöpfchen verbaut wurden: an der Mittelkonsole. Hier findet man nur noch ganz wenige Knöpfe und Drehräder, die allesamt herrlich einrasten, klicken und kapazitive Berührflächen, die eine Vibrationsrückmeldung geben.
Bei der Sitzposition im Porsche gibt es sowohl auf den Vordersitzen, als auch auf den Rücksitzen nichts zu meckern. Hier findet jeder eine entspannte Haltung, lassen sich doch die vorderen Sitze optional in 18 Wegen verstellen. Elektrisch lassen sich hier zum Beispiel auch die Seitenwangen der Rückenlehne und Sitzfläche verbreitern oder verengen. Überdies lässt sich auch die Sitzfläche vorne erweitern und optional gibt es auch noch Massagesitze. Selbst hinten bleibt genügend Platz für große Erwachsene. Nur wer das Gardemaß von 1,90 m überschreitet, macht Bekanntschaft mit dem Dachhimmel. Zudem finden Mitfahrer im Fond eine ähnliche Bedieneinheit zum Einstellen ihrer Sitzheizung, der Klimaanlage, des Navis und vieler weiteren Dinge. Dass ein einzelner USB-Anschluss im Fond mit 320 Euro Aufpreis zu Buche schlägt, halten wir dann fast schon für witzig.
Zugang zum durchaus ordentlichen Kofferraum schafft eine elektrische Heckklappe, die sich weit öffnet. Zudem lässt sich die Rückenlehne geteilt umlegen, wodurch man eine beinahe ebene Ladefläche vorfindet.
Motoren
Panamera Turbo mit 4,0 V8 Benziner TwinTurbo, 550 PS, 3,6 Sekunden von 0-100 km/h, Höchstgeschwindigkeit 306 km/h, ab 155.748 Euro
(Testwagenpreis u.a. mit Farbe „Kreide“, Keramikbremse, Burmester HighEnd-Audioanlage, 21 Zoll Leichtmetallfelgen, u.v.m. 214.968,35 Euro)
Alle Motoren werden mit dem neuen Achtgang-Doppelkupplungsgetriebe versehen.
Fahrverhalten
Doch wie fährt sich so ein Eigenheim auf vier Rädern? Durchaus leichtfüßig. Im Normalmodus spielt der Panamera Turbo das Spiel der komfortablen Reiselimousine. Dank der für den Turbo (bzw. ab 4S) serienmäßigen Luftfederung dringen Fahrbahnunebenheiten nur geringfügig in den Innenraum. So lassen sich auch lange Etappen bei hohem Tempo entspannt absolvieren. Die optionale Geräusch- und Wärmeschutzverglasung tut ihr übriges.
Dreht man den Fahrprofilschalter auf „Sport“ oder „Sport plus“, passiert genau das Gegenteil. Man hat das Gefühl dass der Porsche jeden Muskel angespannt und jede noch so kleine Bewegung des Gaspedals wird umgehend umgesetzt. Dank Allrad sind 100 km/h im optimalen Falle nach 3,6 Sekunden, Tempo 160 nach 8,1 Sekunden erreicht. So muss es sich anfühlen (und anhören), wenn ein Bundeswehr Tornado startet. Erst bei wahnwitzigen 306 km/h endet die Beschleunigung. Dabei trompetet die optionale Sport Auspuffanlage mit vier Endrohren das Konzert eines Gewitters. Da mag es für die Nachbarn fast lustig klingen, dass sich die Türen mit der optionalen Zuziehhilfe geräuschlos ins Schloss legen.
Der Geschwindigkeitsabbau funktioniert mit der optionalen Keramikbremse mindestens genauso gut. Ist sie erst mal warm gefahren, gleicht das Bremsen dem Werfen eines Ankers. Das optionale Burmester Soundsystem hinterlässt einen positiven Eindruck. Gleiches gilt für das serienmäßige LED-Licht, welches in unserem Testwagen noch mit dem Dynamic Light System Plus ergänzt wurde.
Abmessungen
Länge: 5,05 m
Höhe: 1,43 m
Radstand: 2,95 m
Fazit: Irre, wie groß die automobile Spreizung ist, die Porsche beim Panamera hinbekommen hat. Gerade noch sanfte, schnelle und leise Reiselimousine für vier Menschen inklusive Gepäck, dann auf Knopfdruck reiner Sportwagen mit unvorstellbarem Vortrieb, gigantischem Sound und gierigem Kurvenverhalten. Vor allem die optionale Hinterachs-Lenkung verhilft dem Panamera zu akzeptablen Wendekreisen, aber auch hohen Kurvengeschwindigkeiten. Dass unter 13 Litern auf Hundert Kilometern wenig geht, sondern eher Verbräuche von 16-18 Litern angesagt sind, trübt natürlich die Ökobilanz und passt eigentlich auch nicht mehr so recht in die Zeit. Aber Porsche zeigt, was technisch machbar ist und naturgemäß können sich nur wenige Menschen solch ein Auto leisten. Braucht man sowas? Nein, aber Spaß macht Porsches Flaggschiff allemal und so bleibt der Panamera eine gelungene Kombination aus Reise- und Sportwagen für Menschen, die schon ein Eigenheim oder eine Eigentumswohnung haben und trotzdem das passende „Kleingeld“ übrig haben.
Autogefühl: ****
Text: Autogefühl, Thomas Blachetzki
Fotos/Video: Autogefühl Thomas Blachetzki