Mit dem Mercedes eCitaro steigt Daimler groß in das Geschäft der elektrischen Stadtbusse ein. Wohl gemerkt gibt es ja schon elektrische Stadtbusse, etwa welche, die mit Oberleitung fahren, wie in Salzburg. Doch jetzt beginnt das neue Zeitalter der unabhängigen batterie-elektrischen Stadtbusse. Von Thomas Majchrzak
Exterieur
Als Plattform dient der normale Citaro-Stadtbus, der mit 50.000 verkauften Einheiten zu den am weitesten verbreiteten Stadtbussen zählt.
Im Design bedient sich der eCitaro beim Concept Future Bus, etwa mit einem riesigen Mercedes-Stern (28 cm Durchmesser). Für einen futuristischen Look kommen dreidimensionale durchsichtige Elemente zum Einsatz, die von hinten chrombedampft sind und daher das Licht reflektieren. Die Windschutzscheibe ist stark gewölbt und leitet dazu über, dass der eCitaro so ausschaut wie aus einem Guss. Die Dachaufbauten sind geschickt unter einer Dacherhöhung versteckt. So hat der eCitaro im Look etwas von einem Reisebus.
Damit Busfahrer schnell umsteigen können, bleiben Sichtwinkel und Spiegel identisch zum klassischen Citaro. Gebaut wird der eCitaro ebenfalls im Werk in Mannheim.
Interieur
Der Innenraum des eCitaro steht stellvertretend auch für ein Gesamt-Facelift der Citaro-Familie. So wurde zum Beispiel die Innendecke neu gestaltet, sie besteht aus weniger Elementen, was sich auch positiv auf das Geräuschniveau im Innenraum auswirkt. Innenbeleuchtung und Lautsprecher stecken in einem Element. Anstatt einzelner Spots sind die Beleuchtungen nun gleichmäßiger.
Ob zwei oder drei Türen oder welche Bestuhlung: Der eCitaro ist genau so individualisierbar wie die Verbrenner-Vorbilder. Auch Fahrer müssen sich nicht umstellen. Lediglich die Instrumente sind auf die elektrische Leistung bzw. Rekuperation ausgelegt. Es gibt einen Rekuperations-Hebel, den man auf eine bestimmte Stufe stellen kann.
Erhältlich sind z.B. auch ein 29-Zoll-Monitor zur Fahrgastinformation und maximal 13 USB-Doppelsteckdosen.
Motor, Batterie und Thermomanagement
Zwei Elektromotoren, beide auf der hinteren Antriebsachse, liefern jeweils 170 PS. Die Gesamt-Batteriekapazität beträgt 243 kWh. Vier Batterie-Module befinden sich im Heck, bis zu sechs auf dem Dach. Je nach Anschaffungskosten- und Reichweiten-Wunsch kann man unterschiedlich viele Module bestellen. In der Maximal-Bestückung wiegt der eCitaro 13,5 Tonnen bei einem zulässigen Gesamtgewicht von 19,5 Tonnen. Der eCitaro kann dann maximal 88 Fahrgäste aufnehmen. Aufgeladen wird die Batterie hinter einer Klappe an der Türseite mit einem Combo-2-Stecker für Gleichstrom-Ladung. Alternativ ist für den eCitaro auch ein Dachstromabnehmer erhältlich, der wie bei den klassischen Elektrobus- oder Straßenbahnlösungen die Energie über die Oberleitung abnehmen kann. Außerdem kann wie beim normalen Elektroauto auch über die beiden Elektromotoren Energie rekuperiert werden. Beim Test-Zyklus SORT2 erreicht der eCitaro 150 km Reichweite, was ein Drittel der Stadtbus-Einsätze abdecken würde. Unter optimalen Bedingungen sollen sogar 250 km drin sein. Daimler stellt zudem in Aussicht, dass bei künftigen Batterieentwicklungen die neuen, noch energiedichteren Batterien die derzeitigen ersetzen könnten. Somit sind die Verkehrsbetriebe dann nicht mit der derzeitigen Batterietechnik verhaftet.
Aber wie schaut es im Winter aus? Bei -10 °C verdoppelt sich der Heizaufwand und die Reichweite halbiert sich eigentlich. Denn im Gegensatz zu Verbrennungsmotoren entsteht beim effizienten Elektromotor keine Abwärme, die man für die Heizung nutzen könnte. Zudem entweicht Wärme durch das Öffnen der Türen an Haltestellen. Daher wurde das Thermomanagement im eCitaro so optimiert, dass für Heizung, Lüftung und Klimatisierung 40 Prozent weniger Energie benötigt wird. Zum Beispiel werden die Batterien durch einen eigenen Batteriekühler gekühlt. Und über Achslastsensoren erkennt der Bus, wie viele Passagiere gerade an Bord sind – und passt die Klima- oder Heizleistung dann an die Anzahl der Passagiere an. Bei einem voll besetzten Bus, in dem die Menschen selber auch viel Wärme abgeben, kann z.B. die Heizleistung zurückgenommen werden.
Fahrverhalten
Laut Umweltbundesamt dominieren bei Pkw oberhalb von 25 km/h und bei Nutzfahrzeugen und Bussen oberhalb von 50 km/h die Rollgeräusche das Motorengeräusch – es sei denn, es handelt sich bei den Pkw um ein Performance-Fahrzeug. So sind Elektroautos und Elektrobusse bei höheren Geschwindigkeiten also nicht leiser als Verbrenner. Doch gerade ein Stadtbus wird schließlich hauptsächlich bis 50 km/h verwendet und fährt ständig wieder an und bremst wieder ab. Die Lärmbelastung durch herkömmliche Stadtbusse ist daher enorm. Das alles fällt mit dem eCitaro weg.
Durch eine Geschwindigkeitsregelung beim Anfahren beschleunigt der eCitaro immer gleichmäßig, was übermäßigen Energieverbrauch und eine übermäßige G-Kraft-Belastung der Fahrgäste verhindert. Standardmäßig rollt der Bus bzw. segelt, wenn man vom Gas geht. Mit einem separaten Rekuperationshebel kann man allerdings auch einen bestimmten Rekuperationslevel einstellen. Das Rollen ist auch der Hauptpunkt dabei, wie sich ein Busfahrer auf das elektrische Fahren ausrichten muss. Ansonsten ist keine Eingewöhnung nötig. Die Fahrer sollten ihren Rollweg ein wenig besser planen, bzw. wissen schließlich, welche Haltestelle wie weit entfernt ist.
Das Fahrgefühl für Fahrgäste im eCitaro ist weitgehend gewohnt, nur eben beim Anfahren ist es auch für die Passagiere im Innern leiser. Das Brummen des Diesels fällt weg. Bei normaler Fahrgeschwindigkeit merkt man dann keinen Unterschied mehr.
Abmessungen
Länge: 12,13 m
Radstand: 5,90 m
Breite: 2,55 m
Höhe: 3,40 m
Fazit: Mit der derzeitigen Reichweite kann man laut Daimler ein Drittel der existierenden Stadtbusse mit dem eCitaro ablösen, künftig wird es noch mehr sein. Der eCitaro macht Sinn, ganz einfach weil man lokal viel Lärm und Emissionen vermeiden kann. Und einem elektrischen Stadtbus ist es egal, wie häufig er im Stopp-and-Go unterwegs ist. Der Stadtbus-Sektor ist vielleicht sogar der sinnvollste Einsatz der Elektromobilität. Dazu hat Mercedes noch ein modernes Design außen und innen generiert. Eine weitere Herausforderung wird die Schulung der Servicebetriebe für Reparatur und Wartung sein, daher hat Mercedes dafür auch einen eigenen Bereich, der sich darum kümmert.
Text: Autogefühl, Thomas Majchrzak
Fotos & Video : Autogefühl, Michel Weigel