Neuer Volkswagen Crafter im Testbericht

10 Jahre nach der Einführung der bisherigen Generation kommt ein neuer Crafter von Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN) auf den Markt. Vier Grundmodelle und drei verschiedene Längen sowie Höhen sind die Kernpunkte des neuen Transporters, der nun nicht mehr wie bisher zusammen mit dem Mercedes Sprinter gebaut wird. Wie der neue Volkswagen Crafter seinen eigenen Weg geht, verrät unser ausführlicher Fahrbericht. Von Thomas Majchrzak

Bei Gewerbekunden gibt es eine Messgröße, die besonders wichtig ist: TCO, Total Costs of Ownership. Also alle Kosten inkl. Anschaffungspreis, Wartung, Kraftstoff usw. VW-Nutzfahrzeuge verspricht: Mit weniger Spritverbrauch, 2.400 Euro weniger Basis-Anschaffungspreis und geringeren Wartungskosten würden die TCO mit der neuen Crafter-Generation deutlich sinken. Los geht es ab 28.300 Euro netto bzw. gut 33.600 Euro inkl. MwSt. Damit ist der neue Crafter vergleichsweise gut 4.000 Euro teurer als die Konkurrenz um Peugeot Boxer/Citroen Jumper/Fiat Ducato, aber etwas günstiger als die vergleichbare Mercedes Sprinter Version (hier ist lediglich die schwach motorisierte und „nackte“ Einstiges-Version „Worker“ günstiger).




Bis einschließlich 2006 hieß der Volkswagen Crafter noch VW LT, der damals schon weitgehend baugleich mit dem Mercedes Sprinter war. Auch bei der Weiterentwicklung, dann Crafter genannt, hielt die Kooperation Bestand. Nun geht Volkswagen Nutzfahrzeuge wieder einen eigenen Weg. Dieser Impuls sei weitgehend von Daimler ausgegangen, so VWN CEO Eckhard Scholz im Gespräch. Allerdings konnte man bei Volkswagen Nutzfahrzeuge auch nicht so genau auf Kundenwünsche eingehen und musste Wartezeiten bei Sonderbestellungen in Kauf nehmen. Der Crafter wurde so bislang auch im Mercedes-Werk gebaut, insofern blieb VWN der Juniorpartner. Damit ist nun Schluss. Denn im Zuge der Neuausrichtung wurde am Produktionsstandort nahe des bisherigen Werks in Poznán, Polen, extra eine neue Fertigungsstätte gebaut. Seit über 10 Jahren werden in Poznán Caddy und T6 gefertigt, zusammen mit dem neuen Crafter-Werk wird die Mitarbeiterzahl insgesamt auf 10.000 steigen. 3.000 Mitarbeiter werden langfristig allein am Crafter in Września arbeiten. Für einen reibungsfreien Übergang kommen die ersten 1.000 Mitarbeiter aus der eingespielten Produktion, wo dann wiederum neue Leute eingestellt werden.

Exterieur

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Kunden des VW Crafter erwarten kein Design-Wunder, er ist in der Grundform natürlich eher zweckmäßig konstruiert. Im Detail heißt das, möglichst viel Platz zur Verfügung stellen, daher gibt es den Crafter in verschiedenen Größen. Die Länge reicht von 5,24 m bis maximal 7,34 m und die Höhe von 2,42 m bis ganze 3,05 m. Der Radstand variiert in Abhängigkeit von der Länge zwischen 3,25 und 4,33 m. Dabei kostet die Version mit mittlerem Radstand und Hochdach z.B. gut 29.800 Euro netto / 35.400 brutto. Vor allem handwerklich orientierte Unternehmen werden den Platz gut nutzen können, jedoch sollte man bei der Wahl der Höhe bedenken, dass man dann ggf. nicht unter jede Brücke passt. Thema des neuen VW Crafter ist, dass er durchaus mehr Modernität in Sachen Design zeigt, sogar die aktuelle Volkswagen-Pkw-Sprache durch die horizontale Kühlergrill-Gestaltung übernimmt. Auf der Motorhaube finden wir kantige Designlinien, die Richtung Front zeigen. Erstmals wird diese Fahrzeugklasse so designbetont. Die Front- und Rückleuchten lassen sich mit LED-Technologie, Abbiegelicht und einem Fernlichtassistenten ausrüsten. Die Nutzlast beträgt je nach Variante 3,0 bis 5,5 Tonnen. Es geht los mit 3,0 Tonnen mit Vorderradantrieb und endet bei 5,5 Tonnen mit Hinterradantrieb für schwere Lasten. Schließlich bringt eine schwere Last im Heck das Gewicht auf die dortige Achse, was dann einen besseren Vortrieb mit Hinterradantrieb gewährleistet.

Interieur

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Beim VW Crafter wird auf allzu viel Schnick Schnack im Inneren verzichtet, vielmehr setzt man mit dem Einsatz robuster Materialien auf Zweckmäßigkeit. Dennoch wirkt die Verarbeitung besser als bei der Konkurrenz. Das Cockpit ist sehr aufgeräumt und glänzt durch viele Ablagefächer. Im Handschuhfach passt zum Beispiel ein Standard-Ordner hinein. Diese Lösungen wurden direkt für die Kunden entwickelt, die vor der Entwicklung per Umfragen ihr Feedback geben konnten.

Dabei gibt es eine Basisausstattung mit einem „harten“ Lenkrad ohne Multifunktion und einem schlichten Radio mit Bluetooth-Funktion, aber auch ein Multifunktionslenkrad mit ACC-Bedienung und einem großen Infotainment-System mit allen Bausteinen.

In puncto Sitzbezüge kann man Stoff wählen, der attraktiv zweifarbig gestaltet ist, oder aber Kunstleder, etwa für Baustellen-Fahrzeuge, die häufig mit schmutziger Kleidung betreten werden. Die Sitze lassen sich dann einfacher abwaschen.

Außerdem können in der Fahrerkabine vorn bis zu drei Personen Platz nehmen, wobei der mittlere Sitz auch zu einem Tisch heruntergeklappt werden kann. Entscheidet man sich für eine Variante mit zwei Kabinen, so erhöht sich natürlich die Anzahl der möglichen Fahrgäste. In der Doppelkabine können hinten zum Beispiel vier Erwachsene mitfahren, so kann man insgesamt mit einem Team aus sieben Leuten fahren. Wie der Bus / T6 lässt sich der Crafter individuell auf die Bedürfnisse anpassen, sei es Personentransport oder ein Kastenaufbau für möglichst großen Laderaum. Und das ist auch das Geheimnis der neuen eigenen Strategie, man kann selber nun unabhängiger auf Kundenwünsche eingehen. Nach der intensiven Kundenbefragung hat sich nicht nur die Zahl der Ablagefächer erhöht, sondern z.B. auch die Höhen der Trittbretter wurden angepasst. Die maximale Innenhöhe des Laderaums hinten beträgt 2,20 Meter. Wichtig: Je nach Bodeninstallation können vorhandene Einbauten aus anderen Fahrzeugen mit übernommen werden. Ferner ist für Flottenkunden auch ein Fleet Management Interface verfügbar.

Der Holzboden im Innenraum stammt aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern in Europa. Schön, dass auch auf diese Details Wert gelegt wird. Die Oberfläche ist zur Kratzfestigkeit zusätzlich versiegelt. Wenn man sich den Holzboden, die Schleifkanten und die Verzurrösen anschaut, dann muss man hier wirklich an Premium im Transporter-Segment denken.

Für mehr Sicherheit sollen fortan die folgenden optionalen Sicherheitssysteme führen:

– ESO mit Gespannstabilisierung (erkennt die Instabilität und tritt dieser entgegen)
– Adaptive Cruise Control mit Distanzregelung
– Seitenwindassistent
– Anhängerrangierassistent
– Multikollisionsbremse
– Rückfahrkamera
– Parkdistanzkontrolle
– Ausparkassistent (Rear Traffic Alert)

Dieses Arsenal an Assistenzsystemen ist neu im Segment und hilft dabei, das Fahrzeug sicherer und einfacher zu bedienen – und ggf. auch Folgekosten für Unfälle und Rempler zu ersparen.

Motoren

Für den neuen Crafter hat VWN den 2.0 Liter Diesel angepasst, Name der Variante: EA 288 Nutz.

2.0 l TDI
102 PS; 140 PS; 177 PS (Bi-Turbo)

Ferner soll bereits 2017 der e-Crafter hinzukommen, mit 200 km rein elektrischer Reichweite speziell gedacht für den e-Commerce Transport (innerstädtische Paketauslieferung).

Unabhängig von der gewählten Leistung kann der VWN Crafter entweder mit Front-, Heck- oder Allradantrieb bezogen werden, gleiches gilt auch bei der Wahl des Getriebes, wobei das Automatikgetriebe den Preis natürlich anhebt. Den Allradantrieb gibt es also nicht nur für die Top-Motorisierung. Frontantrieb wird dominieren, Allrad ggf. in kälteren Regionen und Heckantrieb für schwere Transporte. Grundsätzlich geht der Transport-Trend allerdings dorthin, dass in zwei Drittel der Fälle das Volumen des Transporters die maximale Ladegröße darstellt und nicht die maximale Zuladung.

Fahrverhalten

Grundsätzlich ist die Sitzposition im neuen VW Crafter aufrecht und angenehm, nach vielen Testkilometern können wir sagen, dass er als Reisemobil taugt. Man hat eine gute Übersicht nach vorn und kann auch als großer Mensch entspannt sitzen. In der Tat wurde bei der Entwicklung ein besonderer Wert auf die Ergonomie der Sitze gelegt, da viele Berufsfahrer schließlich viele Stunden pro Tag in diesem Fahrzeug verbringen. Optional ist auch ein gefederter Sitz für den Fahrer erhältlich. Im Vergleich zu Peugeot Boxer & Co. sitzt man allerdings nicht ganz so weit auf der Vorderachse und auch nicht so hoch, bzw. ist die Motorhaube nicht so kurz und flach. D.h. man fühlt sich im Crafter eher wie in einem höher gelegten Pkw und nicht so viel anders wie im T6 Transporter.

Dazu trägt auch maßgeblich die neue elektromechanische Lenkung bei. Bislang wurde die Lenkung hydraulisch kontrolliert. Die neue Lenkart soll erstens Kraftstoff sparen, zweitens ermöglicht sie die Integration der neuen Assistenzsyteme, und drittens ist das Lenken nun noch einfacher – aber nicht unnatürlicher. Heißt: Bei langsamer Fahrt braucht man kaum Kraft aufwenden, um den Crafter zu rangieren. Fährt man schneller, strafft sich die Lenkung ein wenig, so dass ein natürliches Lenkgefühl erhalten bleibt.

Die Geräuschisolierung ist für einen Transporter sehr gut, dazu kommt das nachgefeilte Fahrwerk, das nun Stöße besser ausgleicht. Zusammen mit der Lenkung ergibt sich ein entspanntes Fahrgefühl, das einen leicht vergessen lässt, in einem großen Transporter unterwegs zu sein. Wenn es doch einmal enger wird, können die optionalen Kamera-Systeme helfen. Sensoren rundherum überwachen dann z.B., dass man beim Abbiegen nicht seitlich einen Poller mitnimmt.

Beim Anhänger-Assistenten muss man einmal langsam ein paar Kurven mit dem Anhänger fahren, damit das Fahrzeug diesen Anhänger kalibriert. Dann kann man über das Einpark-Symbol den Assistenten aktivieren, den Rückwärtsgang einlegen und über den elektrischen Spiegelverstell-Knopf die Richtung des Anhängers bestimmen – und das Fahrzeug lenkt automatisch so, dass sich der Anhänger in diese Richtung bewegt. Das verhindert, dass man zu stark einlenkt oder gegenlenkt und den Anhänger mit dem Fahrzeug verkeilt.

Bei den Motoren testen wir den 2.0 Liter Diesel mit 177 PS und Bi-Turbo und 6-Gang-Schaltgetriebe sowie die 140-PS-Version mit 8-Gang-Automatik (Wandler). Der Bi-Turbo ist für schwere Ladung und Anhänger gedacht, denn ohne Ladung ist er so kräftig, dass man dies eigentlich gar nicht benötigt. Das klassische Diesel-Nageln ist noch zu verspüren, so ganz kann der VW Crafter seinen Nutzfahrzeug-Charakter also nicht verleugnen. Bei der manuellen Schaltung lassen sich die Gänge überraschend geschmeidig einlegen. In der Automatik-Variante schaltet der Wandler zuverlässig hoch und runter, ohne dass man große Übergänge merkt. Wer sich den Aufpreis leisten kann, profitiert von diesem Komfort-Plus. Die 140-PS-Version ist auch eine gute Preis-Leistungs-Variante. Unsere Testverbräuche: 10 Liter / 100 km mit der Handschaltung, 11 l mit der Automatik.

Abmessungen

Länge: 5,24 – 7,34 m
Breite: 1,99 m
Höhe: 2,42 – 3,05 m
Radstand: 3,25 – 4,33 m

Fazit: Die neue Generation des VW Crafter setzt den neuen Maßstab im Segment der leichten Nutzfahrzeuge (aus Lkw-Sicht) bzw. großen Transporter (aus Pkw-Sicht). Das Design ist prägnant und aufgeräumt, der Innenraum clever, flexibel und zeigt für ein Nutzfahrzeug eine neue Verarbeitungsqualität. Mit der neuen Lenkung und den Assistenzsystemen ist der VW Crafter einfacher zu fahren denn je und bietet Komfort für Privat- und Gewerbenutzer. Natürlich gibt es die Systeme nicht umsonst, aber das ein oder andere könnte sich schnell bezahlt machen, wenn dafür weniger Unfälle entstehen. Lässt man den Preis beiseite, denn der billigste ist der Crafter mit ein wenig Ausstattung natürlich nicht, so bleibt er zum gegebenen Zeitpunkt die erste Wahl, wenn man das beste Fahrzeug der Klasse haben möchte.

Autogefühl: ****

Produktion: Autogefühl, Thomas Majchrzak & Michel Weigel

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