Infiniti? Die Marke kennt in Deutschland kaum jemand, obwohl der Schriftzug dick auf Sebastian Vettels Formel 1 Boliden prangt. Das neue Mittelklasse-Modell Infiniti Q50 soll der vierfache Weltmeister mitentwickelt haben. Fahrspaß bietet das Auto auf jeden Fall. Von Holger Majchrzak
Infiniti ist die Luxusmarke des japanischen Herstellers Nissan, der mit dem Juke und dem Qashqai im SUV-Bereich richtig erfolgreich ist. Davon ist Infiniti in Europa ganz weit entfernt, in Amerika läuft es besser. Der Infiniti Q50 soll die Marke hierzulande aus der Nische führen und etwa mit dem Audi A4, dem 3er BMW und dem C-Klasse Mercedes konkurrieren.
Markantes Design zieht Blicke an
Wir haben den Wagen in Barcelona getestet, einer europäischen Design-Metropole, die Maßstäbe in Sachen Architektur und Mode setzt. Wer hier durch Äußeres positiv auffallen will, der muss den verwöhnten Spaniern schon etwas bieten. Tatsächlich zieht der Wagen jede Menge Blicke auf sich.
Weil die Marke auch in Spanien ungewöhnlich ist, aber vor allem weil der Infiniti Q50 ein elegantes Auto geworden ist mit einigen ungewöhnlichen Details in der Karosserie, die ihm ein unverwechselbares dynamisches Aussehen verleihen. Individualisten, die auch mit ihrem Fahrzeug aus der Masse herausstechen wollen, finden hier ein reizvolles Angebot.
Cockpit für Spielkinder inkl. mobilem Office
Der Infiniti Q50 dürfte eines der ersten Auto sein, das so konsequent auf die Smartphone-Generation abgestellt ist. Gleich zwei große Touchscreens beherrschen den Innenraum, das obere für Navigation, das untere, um zahlreiche Einstellungen durchführen zu können. Der Hersteller bezeichnet den Q50 als „das Auto, das nie vergisst.“ Denn der Wagen ist komplett individuell abzuspeichern – Sitzpositionen, Innenraumtemperaturen, beliebte Reisewege und vieles mehr.
Insgesamt gibt es 96 Einstellungsmöglichkeiten für zehn Funktionen des Infotainmentsystems sowie der fahrdynamischen Einstellungen und der Sicherheitstechnologie. Wer jemals davon geträumt hat, ein Auto wie ein Formel 1 Fahrzeug vor dem Rennen „abzustimmen“, hier gibt es das perfekte Auto dafür. Das Video zeigt einige der Möglichkeiten. Auch wer sein Büro gern in ein Auto verlegt und jederzeit Mails oder News über Facebook empfangen möchte, kann das ohne Probleme erledigen. Wer aber meint, hier können automobile Spielkinder ihrem Trieb frönen – auch die Ansicht kann man teilen, denn wer fummelt schon so intensiv an den Einstellungen herum? Aber der Infiniti Q50 hat auch Stellschrauben, die unbedingt Freude machen.
Erstes Serienauto der Welt mit „by wire“ Lenkung
Üblicherweise wird der Lenkwunsch des Fahrers mechanisch umgesetzt. Im Infiniti Q50 erledigen das Sensoren und Elektromotoren, nur noch im Notfall kuppelt sich eine Mechanik ein. Eine revolutionäre Technik, die zum Beispiel den Vorteil hat, dass das Lenkrad von den Fahrbahnunebenheiten entkoppelt ist. Schläge und Vibrationen gehören der Vergangenheit an. Und der Fahrer kann selbst entscheiden, mit welcher Kraft er lenken will. Mit einem Schalter ist die Lenkung von ganz weich (etwa für den Stadtverkehr) bis hart (für sportliche Kurvenfahrten) einzustellen. Die Unterschiede im Lenkverhalten sind gravierend und sind – wie wir finden – ein dicker Pluspunkt für das Fahrzeug.
Hände vom Lenkrad bei Tempo 100 und mehr
Mit einer Kamera beobachtet der Infiniti Q50 die Straße und vor allem die weißen Spur- und Begrenzungslinien. Active Lane Control heißt diese Technik, die es selbst bei hohen Geschwindigkeiten erlaubt, die Hände komplett vom Lenkrad zu nehmen. Der Wagen hält dabei treu die Spur. Sicheres und stressfreies Fahren, meint dazu der Hersteller. Sebastian Vettel, der Infiniti Director of Performance – so sein schöner Titel – hat das Auto getestet und seine Eindrücke an die Ingenieure vermittelt. Das dürfte sein Beitrag sein und das seine Meinung: „Ich bin beeindruckt vom Ergebnis des Q50 – ein Auto, das wirklich Spaß macht. Die Aufhängung fühlt sich an wie bei einem Sportwagen und liefert in Kombination mit der Lenkung beim Fahren ein wirklich gutes Feedback. Und ich mag die Kraft des Direct-Response-Hybridmotors.“
Zwei Motorvarianten: Diesel und Hybrid
Der Infiniti Q50, der als Sportlimousine vermarktet wird, ist erhältlich mit einem 2,2-Liter-Dieselmotor oder einem 3,5-Liter-Benzin/Elektro-Direct-Response-Hybridantrieb – ein elektrischer Zusatzantrieb. Der 2.2d ist entweder mit Schaltgetriebe oder Automatik zu haben und verfügt über einen Hinterradantrieb. Den 3.5h gibt es nur mit Automatikgetriebe, dafür jedoch mit Hinterrad- oder intelligentem Allradantrieb. Die 170 PS des Diesel – übrigens ein modifizierter Mercedes-Motor – bringen ihn auf 230 km/h, der Hybrid geht bis 250 km/h und ist in 5,1 Sek von null auf hundert. Kein Wunder, dass auch ein Herr Vettel da Fahrspaß empfindet, Motor plus Fahrwerk machen insbesondere den Hybrid zu einer runden Sache. Kombinierte Verbräuche von 4,4 l/100 km beim Diesel und 6,2 l/100 km beim stärkeren Motor mit 364 PS halten wir für akzeptabel, wenn auch die Realverbräuche wie bei allen Autos sicher 1 bis 2 Liter über dem angegebenen Wert liegen werden.
Fortschrittliche Technik – reicht das?
Der Infiniti Q50 ist ein mit Technik vollgestopftes Fahrzeug, die auch offensiv in den Vordergrund gerückt wird. Der Besitzer soll deutlich merken, dass sich sein Fahrzeug da von der biederen Gegenwart mancher Konkurrenzmodelle Richtung Zukunft entfernt. Dass selbst die – zugegeben wirklich guten Sitze – als von der Weltraumtechnik entlehnt angepriesen werden, passt ins Bild. Infiniti hat für die Touchscreens überdies seinen eigenen App Store namens App Garage eingerichtet, in dem Besitzer des Q50 aus einer Vielzahl von Applikationen auswählen können. Also neben den Apps wie Facebook, Twitter, E-Mail-Nachrichten, Sport, Reiseinfos und Wetterdaten, die serienmäßig an Bord verfügbar sind und vom Fahrer abgerufen werden können. Da haben Technik begeisterte Jungs ein Auto für Technik begeisterte Jungs entworfen. Mal gucken, wie viele es davon in Deutschland gibt. Und da auch ich einer dieser Kerle bin, die gerne mal die neueste Smartphone-Generation in Händen hält, kann ich eine gewisse Sympathie für dieses Auto nicht verhehlen.
Die Preise reichen von 34.350 Euro für den Einstiegs-Diesel bis 53.856 Euro für den AWD-Hybrid, der mit ein paar Extras (Beleuchtung, Sound, Sicherheit) aber auch über 60.000 Euro katapultiert werden kann.
Autogefühl: ****
Wem das übrigens nicht reicht, könnte noch diesen Wagen versuchen:
Text & Videos: Autogefühl, Holger Majchrzak
Fotos: Infiniti
Kommentare sind geschlossen.