Jahrelang ging es für Seat oft nur in eine Richtung – nämlich bergab! Der Konzern, einst Mitte der 1950er Jahre von staatlicher Hand gegründet, schlüpfte 1986 unter das Dach des Volkswagen-Konzerns und hat, wie kein zweites Unternehmen im Konzernverbund unter der Finanzkrise 2008 gelitten. Seit einiger Zeit geht es nun wieder stetig aufwärts. SEAT gehört zu den am schnellsten wachsenden Marken in Europa und hat im Vergleich zu den letzten Jahren einen Verkaufs- und Produktionsrekord erreicht. Dazu führten unter anderem auch die gelockerten Zügel der Konzernmutter, die es SEAT nun erlaubt, sich reichhaltiger aus dem VW-Regal zu bedienen. Bei der SEAT Leon-Familie merkt man das an jeder Ecke. Wir fuhren den SEAT Leon, den Leon ST und den Leon Cupra 280. Von Thomas Blachetzki
Im Innenraum empfängt uns der Leon mit einer schwarzen Ausstattung. Die Sitze sind mit einem Leder-/Alcantara-Mix bezogen, bieten guten Seitenhalt und genügend Länge und Breite, um darauf entspannt sitzen zu können. Die Verarbeitung gibt uns keinen Grund zu meckern und wir stellen fest, dass es durchaus „Premium-Anleihen“ gibt. Ambientebeleuchtung in den Türen, das Abstandsradar ACC, adaptive Fahrwerksregelung DCC, ein Panorama-Dach. Audi lässt grüßen!
Auch außen ist der SEAT Leon, in allen Varianten, ein Designer-Stück. Prägnante Kanten, präzise Linien und fließende Kurven. Das macht den Wagen schon im Stand spannend. Dazu dann noch die optionalen Voll-LED-Scheinwerfer (erstmals in dieser Klasse) und die LED-Rückleuchten.
Wir beginnen unsere Testfahrten fast am unteren Ende der Leistungsskala und steigen in einen 5-türigen SEAT Leon mit 1.2 Liter-TSI-Motor und 6-Gang-Schaltung. Ein kleiner Turbolader entlockt diesem Fahrzeug 105 PS und 175 NM, die bereits ab 1400 U/min. anliegen. Wir wollen die Rundstrecke, die am Jagdschloss Kranichstein beginnt, unbedingt sparsam angehen, um heraus zu finden, wie viel Sparpotential die TSI-Motoren haben.
So starten wir also den Motor und stellen fest, dass dieser gut gedämmt arbeitet. Das Getriebe lässt sich knackig schalten, die Schaltwege sind präzise und kurz. Die adaptive Fahrwerksregelung lässt den Wagen im Komfort-Modus gleiten. Auch unebene Landstraßen verlieren so ihren Schrecken. Die 105 PS machen aus dem Auto keinen Rennwagen, aber wir können zügig, niemals das Gefühl der Untermotorisierung habend, fahren. Dann auf die Autobahn. Bei dichtem Verkehr schwimmen wir mit. Das optionale Abstandsradar passt auf, dass wir niemals zu dicht auffahren und verlangsamt oder beschleunigt den Wagen dem Verkehr angepasst, so dass es auch hier Freude macht, zu fahren. Wir beenden den Rundkurs mit richtig guten 5,4 l/100km, wissen aber auch, dass ein Bleifuss den Verbrauch der TSI-Motoren ordentlich nach oben treiben kann. Es geht aber eben auch anders.
Autowechsel: Jüngstes Mitglied der Leon-Familie ist der Kombi. Bei SEAT heißt er Leon ST und dürfte für Menschen mit erhöhtem Ladebedarf und sportlichem Anspruch das richtige Modell sein. Das Ladevolumen reicht hier nicht an das eines Skoda Octavia Combi ran, sollte aber mit seinen 587 – 1470 Litern das Gröbste schaffen. Mit dem serienmäßigen doppelten Ladeboden und der Fernentriegelung der Sitzlehnen (Serie ab „Style“) gewinnt der ST zudem deutlich an Variabilität. Auf den Sitzreihen der Passagiere tut sich indes nichts weiter. Wir fahren den schon aus dem Golf GTD und dem Skoda Octavia RS bekannten 2.0 Liter Diesel mit 184 PS und 6-Gang-DSG. Auch hier: akustische Zurückhaltung. Bis auf die Kaltstartphase, lässt der Motor die Insassen weitestgehend im Unklaren, dass ein Selbstzünder werkelt. Vorbei die Zeiten, dass ein Pumpe-Düse-Diesel das Gefühl eines Traktors vermittelte. Trotzdem wuchtet der Motor hier 380 Newtonmeter auf die Kurbelwelle. Genug für ein sportliches Fahrgefühl, Beschleunigungen in 7,8 Sekunden auf 100 km/h und Höchstgeschwindigkeiten von 226 km/h. Vielfahrern oder Außendienstlern sei diese Karosserie- und Motorkombination ans Herz gelegt. Unsere durchaus zügig gefahrene Rundstrecke haben wir mit einem Verbrauch von 6,4l/100km abgeschlossen. Ein guter Wert in Anbetracht der Fahrleistung.
Fahrleistung ist das Stichwort für die letzte Testfahrt. Der SEAT Leon Cupra 280.
In der Sonder-Farbe „Dynamic“ schaut uns der Leon Cupra schon fast ein wenig böse an. Große Lufteinlässe in der Front signalisieren: Unter der Motorhaube ist etwas, dass dringend gekühlt werden will. Und auch die roten Bremssättel mit Cupra-Schriftzug, die durch die 19-Zoll-Alus zu sehen sind, sagen: Wir können zupacken wie ein Anker, wenn es nötig ist!
Sind die großen Bremsen nötig? Allerdings!
In diesem Modell bewegen 280 PS gerade einmal 1400 kg. 350 Nm Kraft bei 1750–5600 U/min, 5,8 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h und eine abgeregelte Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h bewegen sich im Sportwagenbereich.
Und so freuen wir uns tierisch auf die Testfahrt. Ja, man kann den Cupra fahren, wir jeden anderen Leon auch. Sportlich, auf Wunsch komfortabel, ökologisch korrekt. Aber will man das?
Der Cupra schreit dem Fahrer entgegen: Drück drauf, ich zeig Dir, was ich kann. Und so giert sein Fahrwerk nach Kurven, der Motor dreht willig hoch und der Soundgenerator sorgt dafür, dass der Fahrer auch was auf die Ohren bekommt. Heiseres Röcheln, zwar synthetisch erzeugt, aber trotzdem klasse. Das Runterschalten mit dem DSG wird begleitet vom Zwischengas, was das Fahrprofil „Cupra“ ebenfalls erzeugt.
Natürlich wünscht man sich bei so einer Leistung manchmal einen Allrad-Antrieb, aber wer es nicht ganz so doll treibt, den bringt auch der Frontantrieb eilig auf Hundert. Seat verbaut beim Leon Cupra eine neue Vorderachs-Differentialsperre, die dafür sorgt, dass im Extremfall das gesamte Antriebsmoment auf ein Rad geleitet wird, was das Handling verbessert und Beschleunigungs-Untersteuern verhindert. Dass das Auto extrem handlich wirkt, ist auch der Progressiv-Lenkung geschuldet, die ohne großes Drehen am Volant, Lenkbefehle direkt an die mächtigen 19-Zöller weiter gibt. So hat der Cupra 280 als erstes Auto mit Frontantrieb auch die „grüne Hölle“, also die Nordschleife des Nürburgringes in unter 8 Minuten (genauer in 7 Minuten, 58 Sekunden und 44 Millisekunden) geschafft. Respekt! Das ist neuer Rekord.
Natürlich gibt es diesen extremen Fahrspaß nicht ohne die Rechnung an der Tanksäule.
Knappe 11 l/100km hat sich der Motor für unsere, zugegebenermaßen sehr sportliche, Runde genehmigt. Nicht wenig, aber mit ein bißchen Zurückhaltung lassen sich auch hier Durchschnitts-Verbräuche von unter 8,5l / 100km realisieren. Und für Sparwillige bleiben ja noch die anderen Varianten des Leons, die sind aber nicht so giftig.
Seat hat es also geschafft, gelungene Alternativen in der Kompaktklasse auf den Markt zu bringen. Dass sich hier die Gene nicht großartig vom Golf unterscheiden ist hier kein Nachteil, denn wenn sich deutsche Tugenden mit spanischem Temperament vermischen, kommt was Besonderes raus. Der große Griff ins VW-Regal hat sich gelohnt. Trotzdem besitzen die „Leons“ Eigenständigkeit, sind optisch, aber vor allem auch preislich, ein sehr gute Alternative.
Eben eine schrecklich nette, spanische Familie!
Preise
– Seat Leon SC (3-Türer) ab 14.990 Euro
– Seat Leon (5-Türer) ab 15.490 Euro
– Seat Leon ST ab 16.640 Euro
– Seat Leon SC Cupra 280 ab 32.110 Euro (Seat Leon SC Cupra 265 ab 30.810 Euro)
Serienausstattung, z.B. Leon/Leon SC:
– 7 Airbags
– Elektronische Stabilisierungskontrolle (ESC) inkl. Antiblockiersystem (ABS) und Antriebs-Schlupf- Regelung (ASR)
– Blinkleuchten mit LED-Technologie integriert in Außenspiegel
– Tagfahrlicht
– Außenspiegelgehäuse, Türgriffe und Stoßfänger in Wagenfarbe
– Außenspiegel elektrisch einstellbar
– Cockpit mit Reifenkontroll- und Außentemperaturanzeige, sowie Bordcomputer und Gangempfehlung
– Fensterheber vorne elektrisch
– Zentralverriegelung mit Funkfernbedienung
– Fahrersitz mit Höhenverstellung
– Easy Entry, Komforteinstieg für die Vordersitze
– Sportsitze vorne
– ISOFIX-Kindersitz-Sicherungssystem, in der 2. Sitzreihe links und rechts
Reference (zusätzlich bzw. abweichend zu Leon)
– Außenspiegel elektrisch einstell- und beheizbar
– Media System Touch mit Touchscreen, SD- und USB-Anschluss
– Klimaanlage
– Rücksitzlehne asymmetrisch geteilt umklappbar
Ecomotive (zusätzlich bzw. abweichend zu Reference)
– 4 Leichtmetallräder „Design II“ 6,5J x 16“, Reifen 205/55 R 16
– Rollwiderstandsoptimierte Reifen
– Aerodynamik-Paket (Heck -und Heckseitenspoiler)
– Getriebe mit längerer Übersetzung
– ECOMOTIVE Fahrwerk
– ECOMOTIVE Label am Heck
– Spezieller ECOMOTIVE Kühlergrill
Style (zusätzlich bzw. abweichend zu Reference)
– 4 Leichtmetallräder „Design“ 6,5J x 16“ , Reifen 205/55 R 16
– Berganfahrassistent (HHC) und elektronische Differenzialsperre (XDS)
– Nebelscheinwerfer mit Abbiegelicht-Funktion
– Media System Touch Colour mit SD-Kartenslot und USB, Bluetooth-Schnittstelle und 6 Lautsprechern (statt 4 bei Reference)
– Tempomat
– Dreispeichenlederlenkrad mit Multifunktion
– Handbremsgriff und Schaltknauf in Leder
FR (zusätzlich bzw. abweichend zu Style)
– 4 Leichtmetallräder „Dynamic“ 7,5J x 17“ , Reifen 225/45 R 17
– Heckleuchten in LED-Technologie
– Doppelauspuffendrohr im „FR“ Design
– Sportfahrwerk „FR“
– Seitenscheiben ab 2. Sitzreihe und Heck- scheibe dunkel getönt
– Außenspiegel elektrisch einstell-, anklapp- und beheizbar
– Sportsitze vorne in Kombination aus Stoff/Lederoptik
– Lendenwirbelstütze für Fahrer und Beifahrer
– Climatronic mit elektronischer Temperaturregelung, getrennte Temperaturregelung für Fahrer und Beifahrer
– SEAT Drive Profile (beeinflusst Lenkung, Gasannahme und Schaltung)
– 8 Lautsprecher
Konkurrenten u.a.:
– Mazda 3 ab 17.490 Euro
– Opel Astra ab 16.950 Euro
– Ford Focus ab 16.450 Euro
– Skoda Octavia ab 16.250 Euro
– VW Golf ab 17.175 Euro
Autogefühl: ****
Text & Fotos: Autogefühl, Thomas Blachetzki
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