Seat Studie 20V20: Zweites SUV der Spanier

Erst zog sie sich zäh hin wie Kaugummi – die Entscheidung FÜR ein SUV von Seat. Und nun geht plötzlich alles ganz schnell: Denn die in Genf gezeigte Studie Seat 20V20 ist beileibe nicht der Vorbote des kompakten und ab 2016 bei Skoda gebauten Spanien-SUVs, sondern bereits ein möglicher XL-Ableger mit 4,65 Meter Länge. Fazit: Die Versuchung, am Honigtopf des SUV-Segments zu nippen, ist einfach unwiderstehlich. Angefeuert offenbar durch neue Entscheidungen im VW Konzern, Seat mehr als bislang von der Leine zu lassen. Von Thomas Imhof

Seat „20V20“ nennt die spanische Volkswagen-Tochter das Showcar, welches im typisch rasiermesserscharfen Design die Silhouette eines viertürigen Sportcoupés mit der Souveränität eines SUV und der Variabilität sowie dem Nutzwert eines Mittelklasse-Kombis kombinieren soll. 20V20 steht für „Veinte Vision Veinte“, spanisch für „20 Vision 20“, und könnte ein Wink auf das mögliche Startdatum sein. Sprich: Produktionsstart und Weltpremiere 2019, Markteinführung 2020. Das in der knalligen Außenfarbe Ultra-Orange lackierte Modell stehe „für unseren klaren Weg in die Zukunft“, sagt Seat CEO-Jürgen Stackmann. „Viele Details des 20V20 werden sich an künftigen Serienmodellen wiederfinden. Und wir liefern einen Ausblick auf ein weiteres, ein größeres Mitglied der künftigen SUV-Familie von Seat. Veinte-veinte zeigt in einem Fünf-Jahres-Horizont die künftige Designsprache wie auch die Positionierung unserer Marke. Seat steigt auf in höhere Segmente und höhere Profitabilität“, kündigt Seat CEO Jürgen Stackmann an.“ Wenn das mal keine vollmundigen Statements sind!

 

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Das größere Modell misst zumindest in der Showcar-Version 4,65 Meter und würde auf der so genannten Tiguan-XL-Plattform basieren. Nach heutigem Stand liegt die Seat Studie 20V20 größenmäßig genau zwischen einem (demnächst eingestellten) VW Tiguan und einem Touareg. Dank des Baukastensystems MQB (modularer Querbaukasten) ergeben sich große Synergieeffekte mit Volkswagen- und Skoda-Varianten, speziell dem neuen Tiguan und dem schon für 2016 angekündigten und bis zu siebensitzigen Skoda „Snowman“. Allerdings soll der Seat im Vergleich zu seinem Skoda-Bruder nur rund 4,40 statt 4,60 Meter lang sein.

Das mögliche Antriebsprogramm für ein großes SUV von Seat/Skoda könnte in der Spitze bei 300 PS (TSI) und 240 PS (TDI) liegen, doch losgehen soll es (im Skoda) mit zwei 140 und 180 PS starken Benzinern und einem 184 PS Diesel. Für die Kraftübertragung drängen sich DSG-Getriebe und ein elektronisch gesteuerter Allradantrieb an.

Klare Richtung wie bei einem Pfeil und so scharfe Kanten wie nie zuvor

„Unser 20V20 hat einen klaren Ausdruck, ein starkes Streben nach vorne. Er besitzt eine hohe Anspannung und eine tiefe Sinnlichkeit“ – so beschreibt Seat Designchef Alejandro Mesonero-Romanos die Formensprache der Genf Studie. „Der lange Radstand, die breite Spur und der flache Aufbau mit einer geraden Dachlinie lassen die Proportionen sehr gestreckt und dynamisch wirken. Diese horizontalen Linien wie auch die für Seat typischen, seitlichen Blister haben eine klare Ausrichtung nach vorne. Sie vermitteln das Gefühl von Geschwindigkeit und einer klaren Richtung – wie bei einem Pfeil.“

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Der leicht nach hinten versetzte Aufbau, die dadurch sehr lang wirkende Motorhaube, die Proportionen von Rädern zu Blech und Glas, die gepfeilte Front und das negativ eingezogene Heck unterstützten diesen Eindruck weiter. Zugleich werde der skulpturhafte Eindruck des Modells von der Lackierung unterstützt – nicht nur dank einer besonderen Leuchtkraft, sondern auch der enormen Tiefenwirkung. Einige Kanten, so etwa die für Seat typischen Blister in der Seitenlinie, sind laut Mesonero-Romanos so scharf gezogen wie noch nie. Der Radius betrage nur 1,1 Millimeter, dazu sei jede Kante noch mit einem Negativ-Schwung unterlegt.

 

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Seat-Designer lieben Dreiecke

An Front und Heck der Seat Studie 20V20 dominiert das „X“ als Gestaltungselement, die Heckleuchten besitzen dagegen die Form des Dreiecks, das im Design des 20V20 gleich mehrmals auftaucht. „Wir Seat Designer lieben das Dreieck“, sagt Mesonero-Romanos. „Es ist nicht instabil wie der Kreis oder unbeweglich wie das Rechteck. Das Dreieck hat eine Richtung, es ist immer dynamisch.“

Am wichtigsten sind dem Chefdesigner neben den Proportionen die Klarheit und die Logik der Linienführung: „Beim 20V20 ist keine Linie zu viel oder überflüssig, die Balance zwischen formalem Reichtum und klarer Logik stimmt einfach.

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Im Innenraum der Seat Studie 20V20 schimmert die Formensprache der aktuellen Leon-Familie durch – allerdings schon in der nächsten Evolutionsstufe. Eine umlaufende Linie, die den gesamten Innenraum einfasst und im Designcenter von Seat als „Loft Effekt“ gilt, soll einen Raumeindruck wie aus einen Guss erzeugen.

Poltrona Frau Leder mit 3D-Struktur

Enge Radien und gespannte Linien erzeugen auch hier jene Präzision, die auch schon außen angestrebt wird. Bei den Materialien dominieren Leder, Aluminium, Glas und hochglänzender Kunststoff. Naturbelassenes Leder der italienischen Manufaktur Poltrona Frau in einem sattelbraunen Ton spendet dem Innenraum einen ebenso edlen wie robusten Look; an den Türverkleidungen und im Schwellerbereich zeigt es eine dreidimensionale Struktur mit fein verteilten Dreiecken.

Die Infotainment-Systeme sind sehr „advanced“: Das gesamte Cockpit erscheint wie ein durchgängiges, schwarz hochglänzendes Panel, in das gleich drei TFT-Bildschirme (der größte mit 12,3 Zoll Diagonale) integriert sind. Einer der Touchscreens lässt sich sogar vom Fond aus bedienen.

Seat_SUV_20v20_autogefuehl_004Ein als „Handschmeichler“ ausgelegtes Personal Device in Form einer großen Münze funktioniert neben seiner Primärfunktion als Zündschlüssel außerhalb des Autos als mobiles Navigationssystem, aber auch als Fernbedienung für die Standheizung und -kühlung oder den Ladevorgang bei Plug-in-Hybridversionen. Das Personal Device wird von Magneten auf der Mittelkonsole gehalten und funktioniert auch als Kontrollelement für die Einstellungen des Seat „Drive Profile“.

Eine variable Rücksitzbank macht die Seat Studie 20V20 zum Vier- oder Fünfsitzer. Im Kofferraumboden sind zwei Gepäcktrolleys und ein „Personal Mover“ integriert: Mit diesem Longboard mit E-Motor kann der Fahrer die letzten Meter vom Parkplatz zum Büro oder nach Hause mobil zurücklegen. Zu Fuß zu gehen scheint in der dynamischen Aufbruchstimmung von Seat offenbar nicht mehr vorzukommen.

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Fazit: Nachdem der Startschuss für den ersten, kompakten Seat-SUV mehrmals verschoben worden war und der dann doch gegebene Produktionsentscheid mit dem „Opfer“ einer Produktion im tschechischen Werk Kvasiny erkauft werden musste, winkt Seat mit dem Segen aus Wolfsburg nun sogar im Vierjahres-Abstand ein zweites SUV. Die Frage soll erlaubt sein, ob solch ein Modell Priorität hat. Kunden dieses Segments verfügen über eine gewisse Kaufkraft sowie ein gewisses Alter und neigen tendenziell eher zu Premium-Marken – Seat dürfte aufgrund seines eher jugendlich-frischen Images da nicht so leicht auf die Shopping-list kommen. Zumal die Konkurrenz auch sonst wahrlich nicht gering ist. Spannender wäre da schon eher ein zweisitziges Coupé oder Cabrio – doch dafür scheinen sie bei VW noch nicht das nötige Kleingeld ausgeben zu wollen!

Text: Thomas Imhof, Autogefühl

Fotos: Seat

 

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